Schatten eines Gottes (German Edition)
klugen und wunderbaren Idee ein Mann wie Sinan hervorgehen konnte. Denn was aus ihm wurde, das wurde er durch Euch. Er ist Euer Werkzeug. Was garantiert mir, dass Ihr nicht alle in Eurer Umgebung zu solchen Werkzeugen machen wollt?«
Nathaniel legte die Fingerspitzen aneinander. »Ihr seid zu recht argwöhnisch. Mithras lehrt: Wer seine Grenzen erkennen will, muss sie überschreiten. Es wird zu Sinans Aufgaben gehören, sich aus dieser Verstrickung wieder zu lösen, um die Stufe des Parsen zu erreichen, des Kämpfers für das Gute.«
Diese angeblichen Stufen sind doch nichts als ausgeklügelte Methoden, deine Werkzeuge zu schmieden und zu gängeln,
dachte Emanuel. »Das Gute?«, entgegnete er bitter, »wo seht Ihr denn das Gute? Zählen seine Taten als Dämonenmörder dazu?«
»Sinan hat niemals wahllos getötet. Seine Opfer waren Frömmler, die nicht vom wahren Geist Christi durchdrungen waren. Menschen, die den Glauben wie einen Fetisch benutzten, im Grunde ihrer Herzen waren sie Heiden.«
Ihr wisst nicht, was in Lucca geschehen ist,
dachte Emanuel. »Sinan tötet gern, ich weiß es, ich habe es in seinen Augen gelesen.«
»Wir werden seine Grausamkeit in gemäßigte Bahnen lenken, denn sie beruht auf einem wilden, ausschweifenden Sinnenreiz und wirkt zerstörerisch. Doch noch befinden wir uns mitten im Kampf gegen den alten Feind, dessen Mittel auch nicht eben von Mitmenschlichkeit geprägt sind.«
Emanuel blieb misstrauisch. Andererseits schmeichelte es ihm, dass dieser große Mann erneut um sein Vertrauen warb. Es gab nun einmal die Führer, die den Weg kannten, und die Gefolgsleute, die ihm vertrauten. Wenn man nicht von diesem Weg abirrte, konnte man eines Tages selbst zum Führer werden. Und bis jetzt war dieser Weg mit neuen Erkenntnissen und neuem Wissen gepflastert gewesen. Es war atemberaubend gewesen, ihn zu beschreiten. Die neue Welt, die Nathaniel vorschwebte, beinahe hatte er schon in ihr gelebt. Was erwartete ihn, wenn er nicht zur Versöhnung bereit war?
»Nehmt Ihr meine Entschuldigung an?«
»Ich nehme sie an.«
»Ich danke Euch. Dann wollen wir jetzt über Euren einzigartigen Freund sprechen, über Bruder Bernardo, den uns der Himmel geschickt hat.«
***
Sinan streifte ziellos durch die Stadt, doch wohin er auch kam, hörte er die Menschen vom Messias sprechen und dass das Ende seines Stellvertreters auf Erden nun gekommen sei. Mit Genugtuung stellte er fest, dass die Anbetung einherging mit wüsten Schmähungen gegen die Kirche und den Papst im Besonderen. All diese Unzufriedenen würden für den neuen Glauben eine leichte Beute sein.
Er hielt die Zeit für gekommen, dem Meister Bericht zu erstatten.
Nathaniel, der mit den Gegnern des Papstes über seine Diener heimlich Verbindung hielt, hatte sich deren Rückendeckung versichert, als er zu Sinan sagte: »Nun ist es Zeit, den siebenten Umschlag zu öffnen.«
Sinan gehorchte und las: Töte das Tier auf dem Throne Satans.
Endlich! Ein befreiendes Lächeln glitt über seine Züge. Diese Tat, so wusste er, würde seine beste und letzte Tat als Ranush der Löwe sein.
»Wenn Innozenz jetzt durch deine Hand fällt, Sinan, dann werden die Menschen glauben, es sei die Strafe Gottes, und selbst seine Anhänger werden sich abwenden und während der Sedisvakanz nach geeigneten Kandidaten Ausschau halten. Dann kommen wir ins Spiel. Auf unserer Seite stehen bereits fünf Kardinäle, und es werden noch mehr dazukommen. Du hast noch nie versagt, du wirst auch diesmal nicht versagen.«
Sinan hob stolz das Haupt. »Meister, Ihr werdet der nächste Mann auf dem Heiligen Stuhl sein.«
»Das walte Gott«, murmelte Nathaniel, nachdem Sinan den Raum verlassen hatte. Doch zuerst musste er selbst Kardinal werden. Dazu konnte ihm nur sein ärgster Rivale verhelfen: Papst Innozenz selbst.
***
Cencius Savelli legte dem Papst ein Schriftstück auf den Tisch. »Das haben meine Männer einem Mann abgenommen, der in den Straßen Roms predigt. Das heißt, er hat es ihnen freiwillig gegeben, ja beinahe schon aufgedrängt. Ihr solltet Euch das einmal ansehen.«
Innozenz nahm es und warf einen Blick darauf. Während er es durchlas, röteten sich seine Wangen vor Zorn, dann breiteten sich die roten Flecken auf Stirn und Nacken aus. »Dieser Unselige ist jetzt in Rom? Unter Unseren Augen wagt er es, seine unglaubliche Ketzerei zu verbreiten?« Wütend warf Innozenz das Pergament auf den Tisch. »Weshalb bringt Ihr mir dieses gotteslästerliche Pamphlet und nicht
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