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Die Rache des Bombenlegers

Die Rache des Bombenlegers

Titel: Die Rache des Bombenlegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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1. Keilerei in der Klimperstunde
     
    Nachdenklich blätterte Klößchen in
seiner „Klavierschule“ — einem dicken Buch vom Format einer Zeitung.
    „Seltsam“, meinte er. „Um dieses Lied
hier zu spielen, braucht man etwa drei Minuten. Bei mir dauert es immer acht
bis zehn. Woran das wohl liegt?“
    „Ich vermute, du benutzt die Pausen
zwischen den Noten, um Schokolade zu futtern“, sagte Tarzan. „Erlaubt Elly das?“
    Gemeint war Elly Burkert, Klößchens Klavierlehrerin,
die sich seit einem halben Jahr mit ihm abschinden mußte, aber die Hoffnung
nicht aufgab. Eine erstaunliche Zuversicht, wie Tarzan fand. Denn Klößchen ließ
Eifer vermissen. Zum Klavierunterricht ging er eigentlich nur, weil erstens
seine Eltern es wünschten — er sollte ja auch musische Bildung genießen — und
weil zweitens Elly so nett war.
    „Unsinn!“ maulte er. „In der
Klimperstunde geht es ganz kalorienarm zu. Vielleicht spiele ich deshalb so
langsam.“
    „Langsam müssen wir uns jetzt auf die
Socken machen“. Tarzan sah auf die Uhr. „Sonst schrumpft deine Klimperstunde zu
einem Viertelstündchen zusammen.“
    Es war früher Nachmittag, unmittelbar
nach dem Mittag essen. Auf Fluren und Treppen trappelten Schritte. Wer nicht
gerade krank war oder Hausarrest hatte, wollte in die Stadt. Und zwar sofort,
um keine Minute der kostbaren Freizeit zu verlieren. Denn die Internatsschule
lag außerhalb der großen Stadt, zu der auch Klößchen jetzt wollte,
beziehungsweise mußte. Tarzan hatte denselben Weg. Er war mit Gaby und Karl
verabredet.
    Seufzend packte Klößchen seine „Klavierschule“
in eine Mappe. Dann verließen die beiden Freunde das ADLERNEST, die kleine Bude
im zweiten Stock, die sie gemeinsam bewohnten. Als sie aus dem Hauptgebäude ins
Freie traten, strich lauer Wind über den Hof. Es war Ende März. Der Schnee war
getaut. Die Sonne schien.
    Tarzan hob schnuppernd die Nase. „Merkst
du’s? Es riecht nach Frühling.“
    „Elly riecht auch immer nach Frühling.
Sie benutzt Maiglöckchen-Parfüm. Ob das mein Tempo verzögert?“
    Sie gingen zum Fahrradkeller, holten
ihre Drahtesel und radelten durchs Tor. Tarzans Rennrad glänzte frisch poliert.
Klößchens Tretmühle sah ein bißchen so aus, als hätte er sie auf dem Müllplatz
gefunden. Sicherlich — sein Fahrrad war neu. Aber von Pflege hielt er nicht
viel.
    Sie fuhren über die Zubringerstraße und
überholten eine Menge Fußgänger: alles Schüler, die zur Nachmittagsvorstellung
ins Kino wollten. Tarzan hätte andere Radfahrer eingeholt und sicherlich auch
das schnaufende Vehikel (klappriges Gefährt) von Studienrat Dr. Neubert.
Aber mit Klößchen im Schlepptau ging das nicht. Er war nicht nur beim
Klavierspielen langsam.
    „Weißt du, Willi, was mich freut?“ rief
Tarzan, während der Fahrtwind ihm die dunklen Locken bürstete.
    „Keine Ahnung“, keuchte Klößchen.
    „Daß du heute zum ersten Mal deine
Schokolade vergessen hast.“
    „Wie kommst du auf die Idee?“
    „Hast du doch? Oder?“
    „Was glaubst du denn, was in meiner
Mappe ist? Eher hätte ich die Noten vergessen.“
    Wie konnte ich nur annehmen, dachte
Tarzan, daß er auf seinen Proviant verzichtet. Wäre der reinste Weltuntergang!
    „Ich überlege mir gerade“, rief
Klößchen, „ob ich auf Blockflöte umsteige. Vielleicht liegt mir das mehr. Ist
außerdem ein praktisches Instrument. Wenn wir zum Zelten fahren oder so, könnte
ich sie mitnehmen und euch was vorflöten. Mit einem Klavier ist das
schwieriger.“
    Er wird nie ein Pianist, dachte Tarzan.
Und Elly Burkert sollte nicht nur für den Klavierunterricht bezahlt werden. Sie
müßte auch Schmerzensgeld kriegen.
    Sie radelten jetzt an den ersten
Häusern der Stadt vorbei. In den Gärten dampfte dunkle Erde. Sperlinge
randalierten (lärmten). Der Tag zeigte sich, als wollte er einen
Vorgeschmack auf die Osterferien liefern. Allerdings — bis dahin war’s noch
eine Weile.
    Die Klavierlehrerin bewohnte ein
kleines Backsteinhaus in einer stillen Straße. Den kahlen Garten umfriedete ein
Jägerzaun. Die Pforte hing schief in den Angeln und schloß nicht mehr — aber
sie war nicht erst seit gestern in diesem Zustand.

    Sicherlich kann Elly das mit ihren
zarten Tonleiter-Händen nicht reparieren, überlegte Tarzan. Ich sollte ihr
anbieten, das zu übernehmen. Hoppla! Was für eine Nobelkutsche parkt denn da?
Gehört die einem Klavierschüler?
    Es war ein mitternachtsblauer Rolls
Royce, ein 120 000-DM-Auto.
    Klößchen fuhr

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