Schatten eines Gottes (German Edition)
ihr?«
»Was sollte ich mit ihr haben?«
»Willst du dreist abstreiten, was die Fliegen an der Wand wissen? Du prahlst doch überall in der Burg mit der Kleinen. Immer wenn du betrunken bist, und das bist du jeden Tag.«
»Ach ja? Dann wirst du auch gehört haben, dass unsere Begegnungen so harmlos ausgegangen sind wie Prozessionen am Ostermorgen. Ja, ich habe sie manchmal getroffen, schließlich kenne ich sie schon lange. Ein nettes Mädchen. Wir haben manchmal zusammen geplaudert.«
»Du wirst sie nicht wieder sehen!«
Hartwig von Eibenau hatte leise gesprochen, aber Kuno versteifte sich erschrocken. »Warum nicht?« Jetzt wirkte er wie ein trotziges Kind.
»Weil ich es sage!«
»Das reicht mir nicht, Vater.«
»Weil sie deine Halbschwester ist.«
Kuno schluckte und starrte seinen Vater ungläubig an. »Wie? Du und die dicke Johanna?« Mehr fiel ihm im ersten Moment nicht ein.
»Sie war nicht immer so. In ihrer Jugend war sie das hübscheste Mädchen im Dorf.«
Kuno wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Allmählich ging ihm auf, was für eine Katastrophe das war. Die kleine hübsche Agnes! Er war verrückt nach ihr, weil er sie nicht bekommen konnte. Als Einzige hatte sie sich ihm bisher verweigert. Was bildete sich die Tochter einer Schankwirtin ein? Diese kleine Hexe, dieses Luder! Aber süß war sie, und ihre Augen glänzten wie zwei Türkise. Er wollte sie haben, und er hätte auch schon gewusst, was er mit ihr machen würde, wenn sie endlich nachgab. Und nun musste er sich die Sache aus dem Kopf schlagen. Für immer. Und wenn er ihr begegnete, im Dorf oder beim Tanz, dann musste er ihr ausweichen. Wie sollte er das ertragen?
»Noch eins, Kuno. Deine Weibergeschichten werden aufhören, hast du mich verstanden? Ich werde fortan nicht mehr den Kopf für dich hinhalten. Sollte sich jemand über dich beschweren, so wirst du die Sache selbst ausfechten müssen. Erwarte keine Rückendeckung mehr von mir!«
»Und das alles wegen deines Fehltritts«, murmelte Kuno verbittert, während er einen Schluck von der gelben Brühe nahm. Hustend und würgend spuckte er sie auf den Holzboden. »Was ist denn das für ein Gesöff?«, fluchte er.
»Ich nehme an, Kamillentee«, bemerkte sein Vater trocken. »Du hast ihn kalt werden lassen. Vergiss nicht meine Worte!«
Kuno nickte und schwieg. Momentan hielt er es nicht für angebracht, seinen Vater noch mehr gegen sich aufzubringen. Jetzt war es ratsam, für ein paar Tage den gehorsamen Sohn zu spielen, bis der Vater sich wieder beruhigt hatte. Zuerst war er niedergeschlagen und wütend, doch nach einer Weile entspannte sich sein trotziges Gesicht. Halbschwester! Ein Bastard war sie. Und was sollte ihn davon abhalten, einen Bastard zu vögeln?
***
Agnes wuchtete eine hölzerne Wanne mit Waschwasser aus der Tür und goss es in das Gemüsebeet. Dann stellte sie die Wanne ab und lauschte. Über sich hörte sie Schritte. Die Mutter war oben in den Gästezimmern. Da hatte sie noch eine Weile zu tun. Rasch schlüpfte Agnes aus dem Garten, lief die paar Schritte auf der Straße bis zur Wegbiegung und schaute nach der Eberesche. Wieder nichts. Sie biss sich auf die Lippe vor Enttäuschung.
Wäre an ihren Zweigen ein blaues Band befestigt, dann hätte Agnes gewusst, dass der schönste und edelste aller Männer auf sie wartete: Kuno von Eibenau. Nun wartete sie schon seit zwei Wochen vergeblich. Dabei hatte ihr Kuno das letzte Mal mit hochroten Wangen und stammelnd versichert, dass er keinen Tag mehr ohne sie sein könne. Sie hatte es nicht wörtlich genommen, aber ein wenig schon. Was mochte der Grund für das Ausbleiben des Zeichens sein? Dafür konnte es eine Menge Gründe geben. Kuno war oft unterwegs, um für den Grafen die Besitztümer derer von Sponheim zu inspizieren. Das hatte er ihr erzählt. Als Sohn des Landvogts hatte er Pflichten. Aber bisher hatten ihn diese nicht davon abgehalten, seinen Verabredungen nachzukommen. Beim letzten Treffen hatte er ›morgen‹ gesagt. Und nun waren schon zwei Wochen verstrichen. War ihm vielleicht etwas zugestoßen?
Erst gestern hatte Agnes Wasser in eine Tonschüssel gegeben, Hühnerblut, getrocknete Schwefelpilze und Bilsenkraut hineingetan und mit einer Eulenfeder umgerührt. Doch das rötlich-trübe Wasser hatte ihr nicht verraten, wo sich der Liebste aufhielt oder weshalb er verhindert war zu kommen. Sollte ein stärkerer Zauber nötig sein?
Natürlich wusste sie, was die Leute über Kuno redeten. Er sei ein
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