Schatten über Ulldart
dem Gesicht und klemmte aufsässige Strähnen hinter dem Ohr fest. Der Schalk glänzte wie immer in seinen Augen. »Herr, die Kekse sind noch warm, und die Milch schmeckt mit einem Löffel Honig besonders gut. Ich habe sie mit einer Prise Zimt verfeinert, mmh.« Er schnupperte geräuschvoll, wobei der mächtige Schnauzer ein bisschen vibrierte, und ahmte ein lautes Schlürfen nach.
Der Kissenberg explodiert förmlich. Der Tadc von Tarpol, ein Jüngling mit reichlich Übergewicht, blassblondem, dünnem Haar und einem breiten Pfannkuchengesicht, tauchte aus seinem Lager auf wie ein Wal aus dem Meer.
»Finger weg von meinem Frühstück, Stoiko!« Die unsympathisch hohe Stimme des Thronfolgers schnitt schmerzhaft in das Gehör des Dieners, der den Mund verzog. »Du hast bestimmt schon gegessen.«
»Vor drei Stunden, Herr«, sagte der Mann mit dem mächtigen Schnauzbart, zufrieden, dass seine List funktioniert hatte.
»Wie kannst du nur so früh aufstehen. Da ist die Welt draußen doch noch dunkel.« Gierig stopfte er sich zwei Kekse in den Mund und kippte einen Schluck Milch hinterher.
»Ich lasse Euch dann in Ruhe frühstücken«, Stoiko verneigte sich, »klingelt, wenn Ihr fertig seid und angezogen werden wollt.« Der Tadc winkte huldvoll und verbiss sich in einem Stück Dauerwurst.
»Irgendjemand sollte dem kleinen Prinzen den Hintern versohlen«, murmelte der Vertraute zwischen den Zähnen hindurch, als er draußen vor der Tür stand.
Seit der Geburt des Tadc vor fünfzehn Jahren, der mehr oder weniger gut auf den Namen Lodrik hörte, musste er sich mit dem Thronfolger auseinander setzen. Er hatte ihm die Windeln gewechselt, ihm Gehen und Sprechen beigebracht, aber niemand wusste so genau, warum der Junge aus der Art schlug.
Seine Vorfahren entstammten einer stolzen Reihe von Soldaten und Heerführern, was ihn offensichtlich überhaupt nicht interessierte.
Auf dem Pferd machte er eine so gute Figur wie ein Hund auf dem Eis, der Säbel war ihm zu schwer, und das Rechnen verstand er nur mit Mühe.
Vorsichtshalber hielt man ihn auch von Banketten, Bällen und Empfängen fern, und wenn er aus irgendeinem Grund anwesend war, dann wurde er weitab auf Logen oder Emporen untergebracht, um seinen Vater nicht zu blamieren.
Der Kabcar von Tarpol, ein alternder Haudegen und Kämpfer, war enttäuscht von seinem einzigen Sprössling und er machte aus diesem Umstand gewiss keinen Hehl. Das Volk nannte den dicken Jungen spöttisch »Tras Tadc« – Keksprinz.
Neulich wäre Lodrik sogar beinahe an einem seiner geliebten Lebkuchen erstickt, als er die Dekormandel unachtsamerweise ohne zu kauen mitgeschluckt hatte. Seitdem wurde auf Nüsse, Mandeln und ähnliche Verzierungen, die eine Gefahr für den prinzlichen Hals darstellen konnten, verzichtet.
Die letzte Hoffnung des Kabcars war die Unterbringung seines Sohnes in der Kaserne der Hauptstadt, um ihn entweder doch für das Militär zu begeistern oder ihm wenigstens so Disziplin beizubringen. Ein eher erfolgloses Unterfangen, wie Stoiko fürchtete.
Eine Viertelstunde später läutete die Klingel im Dienstbotenzimmer Sturm.
»Hörst du nicht? Der gnädige Herr ist fertig mit dem Essen«, sagte Drunja besorgt, die eigens zum Beköstigen des Thronfolgers eingestellt worden war, als sich Stoiko keinen Finger weit bewegte.
»Hoffentlich hat er das Tablett nicht für einen großen Kuchen gehalten und sich die Zähne ausgebissen«, hetzte Stallknecht Kalinin und rollte mit den Augen. »Wenn er noch mehr zunimmt, muss ich ihm einen Ackergaul kaufen, oder den Pferden bricht das Kreuz durch.«
»Halt dein Maul, oder ich lasse dich als Gaul satteln. Mal sehen, was du dann sagst.« Stoiko erhob sich langsam und fühlte sich bleischwer. »Ich denke, dass aus dem Jungen doch noch etwas werden kann, wenn nicht alle auf ihm herumhacken würden. Bereite ihm heute Mittag sein Lieblingsessen, Drunja. Nach dem Treffen mit den Obersteuerbeamten ist er immer gereizt, und das machen weder meine Nerven noch die des Reit- oder Fechtlehrers mit.« Die Köchin nickte und überprüfte die Vorratsregale.
»Was dem Jungen fehlt, ist eine ordentliche Tracht Prügel, wenn du mich fragst.« Kalinin schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass ein paar Brotkrümel hoch in die Luft flogen. »Zack, zack, ein paar rechts, ein paar links, und er würde spuren.«
Stoiko ging zur Tür. »Das habe ich auch schon vorgeschlagen, aber der Kabcar hat es mir verboten. Und jetzt bedauert mich, ich muss ihm in
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