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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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die aus der Stadt führten. Bald war die Straße verstopft. Doch halt! - in der Menge war eine Gestalt zu erkennen, ein breitschultriger Mann in einem Kapuzenumhang, der die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hatte. Er überragte die Umherirrenden um einen Kopf, ein Bär von einem Mann. Aufrecht schritt er durch die Massen, die Hände drohend erhoben. Zwei Klippenritter folgten ihm, duckten sich hinter seinem breiten Rücken und füllten die Lücke, die er in das Menschenmeer riß.
    »Sie rennen wie die Lämmer«, knurrte der Breitschultrige, während er eine Frau zur Seite stieß, die gegen seine Brust gedrückt worden war. »Wohin wollt ihr fliehen, feiges Gesindel? In den Norden, wo euch die Goldei in Stücke reißen? Oder in den Süden, wo euch Nhordukaels Flammen versengen? Wollt ihr euch gar dem wahnsinnigen Kind ausliefern, das in Vara auf dem Thron sitzt?« Er fegte die Anstürmenden beiseite wie Gestrüpp. Bald hatte er sich zum Vorplatz der Burg vorgekämpft. Dabei war er seitlich abgedrängt worden, in die Nähe der eingestürzten Münzerei. Dort redete noch immer der Weißstirn auf die Menge ein. »Nhordukaels Zorn … nur er kann euch retten! Tathril hüllt sich in Schweigen, und eure Anführer, die Fürsten, wurden von Nhordukael gerichtet. Sithar steht am Abgrund! Nur Nhordukael kann uns vor den kommenden Schrecken bewahren!« Der Breitschultrige schnaubte. Er kämpfte sich zu dem Jüngling vor, riß ihn mit beiden Händen vom Fenstersims herab.
    »Was weißt du schon von kommenden Schrecken? Du hast keine Ahnung, Bursche! Dein Nhordukael ist ein Schlächter, einer von jenen, die Sithar zugrunde richten.« Er versetzte dem Jungen einen Fausthieb ins Gesicht. Ohne einen Laut sank der Unglückliche zu Boden. Schon erfaßten ihn die Stiefel der Vorbeidrängenden, trafen den Kopf, den Brustkorb, stießen ihn hinab auf das blutdürstende Gestein.
    »Dies alles muß ein Ende haben«, schnaubte der Breitschultrige, »das üble Spiel der Priester und Zauberer, die den Echsen die Tore nach Gharax geöffnet haben.« Er gab seinen Begleitern ein Zeichen und setzte den Weg zur Burg fort. Wenige Schritte trennten ihn noch von den Klippenrittern. Diese hatten inzwischen einen Großteil des Platzes geräumt. Nun bildeten sie eine Reihe, die Kriegskeulen fest im Griff.
    »Geht zur Seite!« Der Breitschultrige schubste die letzten Umherirrenden fort und baute sich vor den Rittern auf. »Und ihr - laßt mich hindurch!«
    Unbeeindruckt hoben die Wächter ihre Keulen, um den Mann niederzuknüppeln. Dann aber bemerkten sie die zwei Klippenritter, die ihn begleiteten.
    »Wer seid Ihr? Niemand darf in die Burg hinein! Niemand darf zur fürstlichen Familie vordringen!« Der Mann riß sich die Kapuze vom Kopf. Schwarze Haare quollen hervor; und nun erkannten die Ritter ihn, trotz seiner eingefallenen Gesichtszüge und des auf eine Fingerlänge gestutzten Vollbartes; denn seine Augen glommen so zornig wie eh und je.
    »Niemand außer mir«, sagte Fürst Binhipar Nihirdi und scheuchte die Klippenritter mit herrischer Geste beiseite. An der Ostseite der Burg Nirdun, geschützt von den hohen Mauern, lag ein Garten. Er war verwildert; die Familie Nihirdi machte sich wenig aus Blumen und Ziersträuchern. Ein paar Birken spendeten Schatten, Farne wehten im Wind, Hecken säumten die überwucherten Grasflächen. In der Mitte des Gartens stand ein alter Pavillon. Der Urgroßvater Binhipars hatte ihn erbauen lassen, ein Liebhaber der Schönen Künste, der unter den Birkenzweigen gern den Balladen seiner Harfenspieler gelauscht hatte. Doch Leidenschaft und Feinsinn dieses Fürsten waren nicht auf seine Nachkommen übergegangen, und so war der ovale Steinbau seit langem verfallen. Zerbröckelte Stufen führten zum Pavillon empor. Sein Inneres lag in Finsternis. Nun aber schob sich eine Gestalt aus dem Dunkeln und ließ sich auf der Treppe nieder. Es war der Schattenspieler; lächelnd zog er die Scherenschnitte hervor, mit denen er zuvor die Menschen ergötzt hatte. Er bewegte mit den Hölzchen ihre Glieder; sein Blick aber war auf die Burg gerichtet, auf ein vergittertes Fenster im mittleren Stockwerk. »Nun, meine Freunde - was glaubt ihr, wer sitzt dort hinter den Gitterstäben? Wer sitzt dort im Dunkeln und preßt seine Stirn gegen das kalte Gemäuer?« Er hielt sich eine der Figuren vor die Augen, linste durch die Löcher des Scherenschnitts zum Fenster. »Ob er wohl das Beben hört, das Knirschen unter der Stadt? Oder ist sein

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