Schattenfeuer
legte sich auf seine Schulter. Der Schamane sah ihm mit zusammengekniffenem Blick in die Augen, dann sagte er etwas zu Smith.
»Er sagt«, übersetzte Smith, »du bist wie ein Falke, der gegen den Wind ankämpft und niemals irgendwo hinkommt. Du widersetzt dich deinem Schicksal. Lass los, und vertrau darauf, dass der Wind dich dorthin trägt, wo du sein sollst. Folge den Zeichen.«
Archer rieb sich übers Gesicht und stellte fest, dass er immer noch die Halbmaske trug. Loslassen? Himmel, das wollte er.
Halt dich fern. Deine Anwesenheit hier bringt uns alle in Gefahr.
Komm zurück zu mir, Archer.
Welcher Kurs war die Wahrheit? Vielleicht würde er das Schicksal entscheiden lassen. Alles, was er brauchte, war ein Zeichen.
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London, 15. Mai 1879
Miranda kam zu spät zu ihrer eigenen Hochzeit. Der Grund für diese bedauerliche Tatsache war, dass Billy Finger sich jammernd über seine Wunden beklagt und darauf bestanden hatte, frisch verbunden zu werden. Dieser Fiesling. Schurke.
Sie unterdrückte ein Lächeln. Da sie gerade eine Kirche betrat, sollte sie wohl ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass ein Teil von ihr den liederlichen Gauner mochte. Sie hatte keine Ahnung, warum, nur, dass seine freimütige Redeweise und die unverfrorene Art, mit der er durchs Leben ging, etwas waren, das sie bewunderte. Oder vielleicht lag es an dem Waffenstillstand, den sie im Lauf der Tage, seit sie ihn pflegte, miteinander geschlossen hatten.
»Wie heißt du denn überhaupt?«, hatte er am zweiten Tag gefragt.
»Miranda.« Sie steckte das lose Ende einer Bandage fest und reichte ihm einen Becher heißen Tee, leicht versetzt mit Laudanum.
»Hab gehört, dass dich der Kerl, der dich im Garten besucht hat, Pan genannt hat.«
Miranda sah ihn an. »Du hast mir nachspioniert?« Martin hatte sie an jenem Morgen besucht und sie hatten ein paar kurze Augenblicke im Garten miteinander verbracht. Die Erinnerung daran ließ ihre Wangen glühen. Wenn Billy Finger sie beobachtet hatte, würde sie auf der Stelle vor Scham sterben.
Doch Billy verzog nur das Gesicht. »Wie soll ich dir denn nachspionieren, wenn ich nicht aus dieser verdammten Flohkiste rauskann?« Er gab einen Laut des Abscheus von sich, bevor er sie wieder ansah. »Aber ich hab genug durchs offene Fenster gehört, wa?«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Pan ist ein Spitzname.«
»Der Name passt.« Er trank einen Schluck Tee und rümpfte die Nase. »Gibt’s denn hier eigentlich keinen Gin?«
»Nein. Und selbst wenn ich welchen hätte, würde ich ihn dir nicht geben.«
Sie schwiegen, während Miranda das Bett richtete.
»Wie lang bist du denn schon ’ne Beutelzieherin?«, fragte er.
»Eine Weile. Mein Vater hat es mir beigebracht.« War das nicht eine gute Erziehung?
»Versteh’ ich nicht.« Er verlagerte sein Gewicht und zog dann eine schmerzverzerrte Grimasse. »Da habt ihr dieses feine Haus hier. Warum dann Schere machen?«
Sie seufzte. »Vater gehört das Haus zwar, aber er hat Mühe, es zu behalten. Wie sich herausstellte, bin ich gut im Schere machen, wie du es nennst. Also tue ich, was ich kann, um ihm zu helfen.«
Sie wollte schon gehen, als Billy sie zurückhielt. »Du bist was Besseres, Pan.« Um seinen Mund zuckte es. »Auch wenn ich den Tag verfluch’, an dem ich dir begegnet bin.«
Sie lächelte bitter. »Danke.«
Und jetzt kam sie zu spät wegen ihm.
Die Taftröcke ihres neuen Tageskleides raschelten in der erhabenen Stille der Kirche, die sie schon seit ihrer Kindheit besuchte. Ein kaltes Gebäude aus Stein, in dem ihre Schritte widerhallten. Das von den Wänden abprallende Geräusch ließ ihren Atem unerwartet schneller gehen. Warum war es so unheimlich still? Wo war ihr Vater? Ihre Schwestern? Sie sollten sie hier in der Kirche treffen. Hatte sie sich in der Uhrzeit geirrt?
»Hallo?« Ihr leiser Ruf verlor sich in der kühlen Luft, und ihr Herz begann zu hämmern. Wo war Martin? Der Priester?
Stimmengemurmel erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie folgte ihm in die Sakristei.
»Bist du sicher, mein Sohn?«
»Ja. Es … es tut mir leid, Reverend. Ich …«
Martins Worte verstummten schlagartig, als Miranda durch die Tür trat. Einen zähen Augenblick lang sahen sie sich an, bevor er ihr ein Lächeln schenkte, bei dem ein angespannter Zug um seine Augen trat.
»Miranda. Du siehst wunderschön aus.«
Ihre Fingerspitzen fühlten sich taub an, ebenso wie ihr Gesicht. Sie war weder in der Lage, das Lächeln zu erwidern, noch den
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