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Schattengeschichten

Schattengeschichten

Titel: Schattengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Rouven
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Kratzen.
    „Danke“, sagte der Mann, „Und jetzt geben Sie mir die Dose! Wie ich sehe, hat sie schon genug angerichtet. Wir wollen doch nicht, dass noch mehr Unheil geschieht.“
    „Ich will mein Auge wieder“, wiederholte Gerrit. Der alte Mann setzte ein bedauerndes Lächeln auf seine Lippen.
    „Kriegen Sie. Nur geben Sie mir“, und er bewegte sich ein paar Schritte auf Gerrit zu, „das Echo!“ Sein Arm streckte sich nach vorne. Nur noch wenige Zentimeter! Fast hätte Gerrit in schmerzender Apathie zugelassen, dass der Mann es ihm aus den Händen nahm. Doch ein letzter Funke normalen Verstandes ließ ihn zurück weichen.
    „Was wollen S ie denn damit?“
    Der alte Mann blieb stehen, sein Lächeln verschwand. Er blickte nervös zu Boden. Hilflose Armbewegungen sollten seine nicht vorhandene Unschuld beteuern.
    „Ich will es..., um es... sicher zu verwahren, wissen Sie. Gerrit. So war Ihr Name, nicht? Gerrit.“
    „Und wie ist Ihrer?“
    „Stuhmann. Ernst Stuhmann.“
    Herbert erwachte unbemerkt. Langsam hob sich sein Kopf, dann sein Körper vom Boden auf. Was auch immer Stuhmann mit ihm angestellt hatte, es hatte nicht lange gewirkt. Kräftig, wie Herbert war, hatte er den Mann, der ihn niederschlug, schnell gepackt.
    „Wir rufen die Polizei“, sagte er zu Gerrit, „Mein Gott, was ist mit deinem Auge? Und wo ist es?“ Er blickte sich ungläubig im nun hellen Raum um.
    „Hier drin“, antwortete er und zeigte die leere Filmdose.
    „Wie kommt es da rein?“
    Ernst Stuhmann ließ sich bereitwillig im Schwitzkasten halten und vermochte noch eine Antwort zu geben.
    „Das kann ich erklären“, sagte er, „diese Filmdose ist keine normale Filmdose. Sie ist..., sie ist das Echo des Fegefeuers.“
    Herbert schüttelte den Kopf.
    „Was für ein Schwachsinn.“ Und dann besann er sich seines Ladens. „Jemand muss zu Heike. Sie ist ganz alleine vorne.“
    „Ich hab´ gerade ein Auge verloren, Herbert.“
    „Okay, fesseln wir den Herrn des Fegefeuers an einen Stuhl und du wirst ihn bewachen, bis wir schließen. Dann haben wir genug Zeit, uns um diese Misere zu kümmern.“
    „Aber mein Auge...“
    „Später, Gerrit. Oder wie soll dieser Laden sonst überleben? Und Polizei ist jetzt das letzte, was wir brauchen.“ Er schüttelte den Kopf über seine eigene Idee. Er drückte den Fremden unsanft auf den Stuhl, den er zuvor unter dem Tisch hervor hob. Es war ein leichtes ihn zu halten, während Gerrit Stuhmann mit unbenutzten Fotoleinen fesselte.
    „Und jetzt pass' auf ihn auf“, befahl Herbert und ging zur Türschwelle. „Wo ist die Tür?“
    Gerrit kicherte. Der Schmerz in seinem Kopf wurde zum ersten Mal erträglicher.
    „Auch hier drin“, antwortete er.
    Ohne Kommentar verließ Herbert den Raum.
    „Herbert...!“ rief Gerrit noch hinterher. Mein Auge, verdammt! Ich brauche einen Fachmann. Das ist doch viel wichtiger als dein Scheißladen. Vielleicht ist es nachher zu spät und sie können es nicht mehr annähen. Wenn wir es überhaupt finden.
    „Er hat keine Ahnung“, sagte Stuhmann schließlich, als Herbert im vorderen Teil des Ladens verschwunden war.
    Gerrit spürte einen unerbittlichen Zorn. Sein Auge, das war alles, woran er denken konnte.
    „Halten Sie Ihr Maul, Stuhmann. Das ist alles Ihre Schuld, verdammte Kacke.“ Und mit lauten Klatschen schlug er dem Mann ins Gesicht, noch einmal, und wieder, bis seine Lippen aufplatzten und die Wangen ganz gerötet waren.
    „Hören Sie“, sagte Stuhmann, weiterhin ruhig und gelassen, als ob er keine Schmerzen spürte und ihm solche Situationen täglich begegneten, „Ich weiß, wie Sie ihr Auge wieder bekommen. Es steckt noch im Echo. Sie müssen mich nur losbinden und...“
    Gerrit lachte. Er stemmte dabei seine Hände in die Hüften, lehnte sich zurück und legte den Kopf in den Nacken. Er lachte zur Decke, er lachte zu den Fotos, die er vorhin entwickelt hatte, er lachte lauthals ins Gesicht des Fremden und das erschreckte ihn. Denn sein Lachen klang nicht fröhlich oder erleichtert. Es klang grausam.
    „Dann schauen Sie hinein“, sagte Gerrit dann, „vielleicht finden Sie es ja. Und wenn Sie es haben, kommen Sie wieder hinaus, ja?“
    Der Einäugige schwenkte die Öffnung der Dose in Ernst Stuhmanns Richtung und kratzte. Er liebkoste den Plastikboden mit seinen Fingernägeln. Amüsiert beobachtete er, wie der Gefesselte unruhig wackelte.
    „Sie machen einen Fehler, Gerrit. So bekommen sie Ihr Auge nie wieder.“
    Stuhmanns Stimme

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