Schattenkampf
ist es Ihnen unter dem Stress des Prozesses eingefallen.«
»Sehr praktisch. Das durchschauen sie doch sofort.«
»Na schön. Angenommen, es wäre so gewesen, dass Sie die ganze Zeit zu Hause waren und getrunken haben, um die Schmerzen von der Schlägerei zu betäuben. Sie haben Ihre Wohnung nie verlassen.«
»Und wie soll mir das groß helfen? Sie müssten mir immer noch glauben.«
»Nein.« Washburn schüttelte den Kopf. »Nicht sie müssen Ihnen glauben. Einer von ihnen muss Ihnen glauben. Es ist wesentlich besser zu sagen: ›Ich habe es nicht getan‹, als
zu sagen: ›Ich erinnere mich nicht mehr, aber wahrscheinlich habe ich es nicht getan.‹ Das ist ein gewaltiger Unterschied.«
Evan atmete ein paarmal tief durch. »Ich dachte, es käme auf die Beweise an. Nicht auf das, was ich sage. Auf das, was die Beweise sagen.«
»Das ist das Problem«, sagte Washburn. »Die Beweise, mein Freund, sagen in aller Deutlichkeit, dass Sie es getan haben.« In diesem Moment erschien der Gerichtsdiener, und Washburn knuffte seinen Mandanten in den Oberschenkel. »Trinken Sie Ihren Kaffee aus. Jetzt sind Sie dran.«
27
Nach den monatelangen Vorbereitungen, den endlosen Beratungen und Strategieplanungen, den Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten, Übereinstimmungen und Prognosen war Evan Schollers Zeit im Zeugenstand relativ schnell um. Washburn hielt es nicht für sinnvoll, seinen Mandanten noch einmal all die Gründe durchkauen zu lassen, aus denen er das Opfer verabscheut hatte. Das war alles von früheren Zeugen bestens dokumentiert worden. Eigentlich gab es nur zwei Fragenkomplexe, die nach Washburns Ansicht eine Chance hatten, bei den Geschworenen auf offene Ohren zu stoßen, und sei es nur, weil sie eine alternative Erklärung für die Tat lieferten. Er brachte sie unverzüglich zur Sprache.
»Evan«, sagte er, »warum sind Sie in Mister Nolans Haus eingebrochen?«
»Zuallererst möchte ich dazu sagen, dass das nicht richtig von mir war. Dafür gibt es keine Entschuldigung, das hätte ich nicht tun dürfen. Ich hätte das Morddezernat auf meinen Verdacht gegen Mister Nolan hinweisen sollen.«
Mills stand auf. »Euer Ehren, das war keine Antwort auf die Frage.«
»Stattgegeben.« Tollsons finsterer Blick wanderte von Washburn zu Evan. Er richtete sich an den Angeklagten. »Mister Scholler. Bitte beantworten Sie nur die Fragen, die Ihnen die Anwälte stellen. Sie sind nicht hier, um große Reden zu halten.«
»Ja, Euer Ehren. Entschuldigung.«
»Gut, Mister Washburn, fahren Sie fort, und vorsichtig, bitte.«
Washburn stellte die Frage noch einmal, und Evan antwortete: »Weil ich in der Zeitung über die Khalil-Morde gelesen hatte und von Lieutenant Spinoza noch weitere Einzelheiten darüber erfahren hatte. Ich hatte Mister Nolan in Bagdad auf einer Razzia begleitet, und bei dieser Gelegenheit verwendete er Splittergranaten. Und weil ich wusste, dass Mister Khalil irakischer Abstammung war, und auch wusste, was Mister Nolan beruflich machte, kam mir der Gedanke, dass er etwas mit diesen Morden zu tun haben könnte.«
»Warum sind Sie nicht einfach, wie Sie eben selbst gesagt haben, zum Morddezernat gegangen?«
»Ich hätte mich ja täuschen können, und dann hätte ich vor dem Lieutenant und vor Tara ziemlich dumm dagestanden, und das wollte ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Na ja, zum einen war ich selbst Polizist. Zum anderen hoffte ich, mich mit Tara zu versöhnen.«
»Also gut. Deshalb brachen Sie also in Mister Nolans Haus ein?«
»Ich ließ mir die Tür aufschließen, ja.«
»Und Sie versuchten dort, Beweise zu finden, dass Mister Nolan an den Khalil-Morden beteiligt war?«
»Richtig.«
»Fanden Sie das nicht ein wenig weit hergeholt?«
»Überhaupt nicht. Ich hatte gesehen, wie Mister Nolan andere Menschen tötete.«
Mills hob die Stimme. »Einspruch.«
»Euer Ehren«, entgegnete Washburn. »Mister Nolan war Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens. Seine Aufgabe war es manchmal, Menschen zu töten. Mister Scholler kannte ihn im Irak in diesem Kontext. An dieser Feststellung ist nichts Abwertendes.«
Tollson setzte seine Brille wieder auf. »Einspruch abgelehnt.«
»Gut«, fuhr Washburn fort. »Als Sie sich Zutritt zu Mister Nolans Haus verschafften, Evan, haben Sie dort etwas gefunden, was in Ihren Augen etwas mit den Khalil-Morden zu tun gehabt haben könnte?«
»Ja.«
Evan schilderte ohne Umschweife sein Vorgehen und seine Motive - die Entdeckung der Splittergranaten, die
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