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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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der nächsten Phase ihres gemeinsamen Lebens nach der unerwarteten Leere der jüngsten.
    Das Tänzchen, das er mit Mary Patricia Whelan-Miille vorhatte, war nicht frivol. Er war überzeugt, dass sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einem regulär vereinbarten Treffen mit ihm bereiterklären würde. Schließlich war er der Mann, der all die harte Arbeit zunichtezumachen versuchte, die sie in einen der bisher immer noch erfolgreichsten Momente ihrer Karriere gesteckt hatte. Er hielt es nicht einmal für ausgeschlossen, dass sein geplanter Überfall auf sie zurückgeschlagen würde. Jedenfalls gab es außer beruflichem Anstand keinen Grund für sie, sich zu einem Treffen mit ihm bereitzuerklären. Er gab sich keinen Illusionen hin. Er wusste, wer er war. Er war der Feind.
    Als er in der Staatsanwaltschaft von Redwood City eintraf, rief er Kelleher an, der ihn vor dem Gebäude abholte und an der Empfangsdame vorbei nach hinten brachte. Er trank eine
Tasse Kaffee mit Kelleher, bevor er ihn bat, ihm den Weg zu Mary Patricia Whelan-Miilles Büro zu zeigen.
    Ihre Tür war offen, und Hardy blieb kurz auf dem Flur stehen, um sich einen ersten Eindruck von ihr zu verschaffen. Sie sah jünger aus, als er erwartet hatte, mit einem außerordentlich reizvollen Profil. Die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, saß sie, offensichtlich lesend, vornübergebeugt in ihrem Sessel. Eine Hand spielte mit einer losen blonden Strähne, ihre Füße, ohne Schuhe, waren unter den Stuhl gesteckt. Es war eine Freitagnachmittagszene, wie er sie in Strafrechtskreisen schon tausendmal beobachtet hatte - die Zeit allein, die jeder gute Anwalt brauchte, um sich über die Faktenlage auf dem Laufenden zu halten, Fälle zu studieren, sich über Gesetzesänderungen zu informieren, die Batterien aufzuladen.
    Einem Teil von ihm widerstrebte es, sie zu stören.
    Der Rest von ihm machte einen Schritt nach vorn und klopfte leise an die Tür. »Entschuldigung.«
    Sie wandte sich ihm zu, ihr Gesichtsausdruck kurz davor, genervt zu sein. Ja, sagte er, Sie stören. Aber sie nahm es gelassen. Die Verdrossenheit wich verhaltener Neugier. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich denke schon.« Er deutete auf den Namen an der Tür. »Falls Sie Mary Patricia Whelan-Miille sind.«
    »Die bin ich.«
    »Das ist ja vielleicht ein Name.«
    »Können Sie laut sagen. Manchmal frage ich mich schon, was sich meine Eltern dabei gedacht haben. Mississippi und ganz New York.«
    »Wie bitte?«
    Sie richtete sich auf in ihrem Stuhl, legte die Hände unten an den Rücken und reckte sich kurz. Entweder um Verspannungen
zu lösen oder um zu zeigen, was sie zu bieten hatte. »Acht Silben«, sagte sie. »Mary Patricia Whelan-Miille. Mississippi und ganz New York. Stellen Sie sich mal vor, jemandem zuzumuten, jedes Mal, wenn er Sie mit vollem Namen ansprechen will, ›Mississippi und ganz New York‹ zu sagen. Kein Mensch würde mit Ihnen sprechen wollen.« Sie lächelte auf eine sympathische Art. »Deshalb nennen mich alle Mills. Wer sind Sie?«
    Hardy ging auf sie zu und stellte sich vor.
    »Dismas?«, fragte sie.
    »Dismas.«
    »Ich glaube nicht, dass ich jemanden kenne, der Dismas heißt.«
    »Da sind Sie nicht die Einzige. Er war der gute Dieb auf dem Kalvarienberg, der neben Jesus. Außerdem ist er der Patron der Diebe und Mörder.«
    »Schön für ihn. Richtig beneidenswert. Ich wollte auch immer ein Patron für irgendwas sein, nur dass man dafür meines Wissens erst tot sein muss, und das ist nicht unbedingt so verlockend.« Mills drehte sich mit ihrem Stuhl zu ihm herum. »Und, Dismas, was kann ich für Sie tun?«
    »Also, ich wollte fragen, ob Sie ein paar Minuten Zeit hätten, um über den Fall Scholler mit mir zu sprechen. Ich stelle einen Berufungsantrag.«
    Die dezent flirtende Seite ihrer Persönlichkeit fiel von ihr ab wie das Kalb eines Gletschers, und dahinter blieb nichts als blankes Eis zurück. »Dazu habe ich nichts zu sagen. Ich habe den Prozess gewonnen und glaube nicht, dass es irgendetwas gibt, was ein Berufungsverfahren rechtfertigen würde.«
    »Finden Sie nicht, dass die PTBS hätte zugelassen werden müssen?«

    »Wenn Sie das Protokoll gelesen haben, wissen Sie, dass ich dagegen plädiert habe und mich mit meiner Auffassung durchsetzen konnte. Diese Entscheidung war richtig. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, denn ich bin gerade …«
    »Mit Charlie Bowen haben Sie aber gesprochen. Ich bitte Sie nur um den gleichen

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