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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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fahnden müssen«, sagte Henrik unsicher.
    Ellen hatte den Polizisten fast nicht erkannt, als er hereinkam, triefnass und in Zivilkleidung. Helga dagegen wollte ihn sofort vor die Tür setzen. Inger Johanne hatte sie mit dem Hinweis zum Schweigen gebracht, dass es nur zu ihrem Besten sei, wenn ein wohlwollender Polizist zur Stelle war. Sie war zwar die Einzige, die ihn für wohlwollend hielt, aber er durfte bleiben.
    »Jetzt machen Sie uns irgendwas Warmes«, sagte sie zu Helga. »Tee, Kakao, was auch immer. Setzen Sie sich in die Küche. Ich gehe noch einmal in die Garage und bin gleich wieder da. Wir müssen wohl in ganz Grefsen suchen. Er kann ja einen Spaziergang machen.«
    »In dunklem Anzug und Schlips?«, rief die alte Frau. »Ohne Regenschirm oder Mantel? Bei diesem Wetter?«
    »Unter diesen Umständen ist ihm seine Kleidung wohl egal«, antwortete Inger Johanne und ging zur Haustür. »Machen Sie uns etwas Warmes. Henrik und ich frieren. Und Ellen sieht auch aus, als ob sie eine Stärkung vertragen könnte.«
    Dass Ellen nach Schnaps roch und sich offenbar schon ausgiebig gestärkt hatte, ließ sie unerwähnt. Sie nahm ihre triefnasse Regenjacke vom Garderobenständer bei der Tür, merkte, wie schwer die Jacke war, und überlegte sich die Sache anders. Sie war ohnehin schon nass, und so hängte sie die Jacke zurück, ehe sie in die Gummistiefel stieg. Draußen regnete es nicht mehr ganz so heftig, aber der Wind war stärker geworden. Die Temperatur war gefallen, aber es waren sicher noch zehn oder zwölf Grad. Sie lief über die steinerne Terrasse und fröstelte im Wind, als sie vorsichtig die vor Feuchtigkeit glatte Schiefertreppe hinaufstieg.
    Neben dem automatischen Tor gab es eine Tür, die Joachim bei ihrer Ankunft nur kurz geöffnet hatte. Sie öffnete sie ebenfalls und ging hinein. Drinnen war es halbdunkel, und sie tastete zuerst auf der einen Seite, dann auf der anderen. Endlich flackerten zwei Leuchtröhren unter der Decke auf, nach zwei Sekunden kamen sie widerwillig zur Ruhe und tauchten die Garage in ein grelles blauweißes Licht.
    »Hallo?«, fragte Inger Johanne den Mercedes, der ihr am nächsten stand, und den eleganten Porsche daneben. »Ist hier jemand?«
    Niemand antwortete. Inger Johanne ging langsam an dem großen SUV entlang. Ein Jungenfahrrad wäre fast von einem Haken an der Wand gefallen, als sie dagegenstieß, und hinten in der Ecke musste sie über vier riesige Winterreifen klettern.
    »Jon«, sagte sie leise und blieb stehen.
    Er saß in der Ecke gegenüber, auf einem niedrigen Mechanikerhocker, zwischen einem Stapel alter Zeitungen und zwei schlaffen Säcken. Er weinte nicht. Er hatte keine Waffe, kein Messer, keine Schlinge um den Hals, wie Inger Johanne insgeheim befürchtet hatte, als sie beschlossen hatte, allein herzukommen. Joachim hatte seltsam außer sich gewirkt, gestresst und gehetzt, und Henrik Holme trug die Uniform noch nicht lange genug, dass sie ihn mit einem Selbstmord hätte konfrontieren wollen.
    Jon atmete flach und schnell. Er sagte nichts, sah sie nicht an. Sie machte einige Schritte und blieb stehen.
    »Du kannst hier nicht sitzen bleiben«, sagte sie. »Sie machen sich Sorgen um dich. Ellen und deine Mutter. Komm, wir gehen ins Haus.«
    Noch immer gab er keine Antwort. Sah sie nicht an. Er starrte ins Auspuffrohr des Porsche, bewegungslos, abgesehen von dem keuchenden Atem. Inger Johanne stieg über ein Paar Skier, das von dem Gestell an der Wand gefallen war, und ging weiter auf ihn zu.
    »Kann ich mich zu dir setzen?«, fragte sie freundlich.
    Ohne auf Antwort zu warten, legte sie den einen halb leeren Brennholzsack besser auf den anderen und setzte sich darauf.
    »Was ist passiert?«
    Er räusperte sich fast unhörbar, öffnete den Mund, holte Luft. Atmete aus, schloss den Mund und schüttelte kurz den Kopf.
    »Bald werden die anderen nach uns beiden suchen«, sagte sie und nahm die Brille ab. »Das wird dann viel Aufregung geben. Kannst du mir nicht erzählen, was passiert ist, bevor wir ins Haus gehen? So in aller Ruhe?«
    Sie zog einen halb trockenen Hemdenzipfel hervor und putzte sich die Brillengläser, während sie das sagte.
    »Die halten mich für verrückt«, sagte er mit gebrochener Stimme.
    »Wohl kaum.« Sie setzte die Brille wieder auf.
    »Doch. Die müssen mich doch für total verrückt halten.«
    Er biss sich in den Daumen, in die Hand, auf der ein großes schmutziges Pflaster saß. Er roch streng und wiegte sich in kurzen,

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