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Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition)

Titel: Schattenkind: Kriminalroman (Yngvar Stubø-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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erzählen, was überhaupt passiert ist, während wir darauf warten, dass wir von ihm hören?«, fragte sie. »Wenn du das über dich bringst, meine ich.«
    »Kannst du mir versprechen, dass sie Jon nicht einsperren?«
    »Versprechen?«
    »Ja! Du bist doch selbst fast Polizistin, Inger Johanne. Du hast Yngvar oft bei schwierigen Fällen geholfen. Das hat sogar in der Zeitung gestanden. Du musst mir versprechen zu beweisen, dass er nichts verbrochen hat! Ich kann die Vorstellung nicht ertragen, zuerst Sander zu verlieren und dann ...«
    »Ich bin wirklich alles andere als eine Polizistin«, fiel Inger Johanne ihr ins Wort, in der Hoffnung, einen neuen hysterischen Anfall zu verhindern. »Ich bin Forscherin, Ellen. Das weißt du genau. Ich kann überhaupt nichts versprechen. Aber wenn du mir sagst, was eigentlich passiert ist, kann ich jedenfalls ...«
    Sie wusste nicht, was sie möglicherweise könnte. Vermutlich gar nichts. Das Wichtigste war es aber jetzt, Ellen zu beruhigen. Bald würde Jon nach Hause kommen, und Inger Johanne könnte sich wieder ihren eigenen Sorgen widmen.
    »Hier war niemand«, sagte Ellen langsam.
    Ihre Stimme vibrierte ein wenig, und sie kam nicht weiter.
    »Hier im Wohnzimmer, meinst du, oder im Haus?«
    »Jon war unten, um sich von seiner Mutter zu verabschieden.«
    »Helga? Sie war gestern auch schon hier?«
    »Ja. Sie ist so lieb. Wenn sie mich nicht so oft entlastet hätte, weiß ich nicht, was geworden wäre. Sie kann so gut mit Sander umgehen. Ein Fest vorzubereiten, während er in der Nähe ist, ist eine Belastung, es ist ...«
    Sie schlug die Hände vor die Augen.
    Als ob sie sich schämte, dachte Inger Johanne überrascht.
    »Ich habe Helga gesagt, dass du kommst, damit sie gehen konnte.«
    »Wo warst du?«
    »In der Küche. Glaube ich.«
    »Glaubst du?«
    »Ich meine ...«
    Plötzlich faltete sie die Hände im Schoß und drehte in wildem Tempo Däumchen.
    »Ich weiß ja nicht, ob ich in der Küche war, als er gestürzt ist. Aber ich kam aus der Küche, als ich ihn gefunden habe. Joachim war auch gerade gegangen, er sollte ...«
    »Joachim? War der auch hier? So früh schon, meine ich?«
    »Nein. Da stimmt meine Erinnerung nicht. Doch ... nein! Er war viel früher hier, fast noch am Morgen, er wollte später zurückkommen und mit Jon und Sander ins Kino gehen. Danach wollten sie irgendwo etwas essen und zu Hause bei Joachim am Computer spielen. Er kann so gut mit Sander umgehen, Joachim, meine ich.«
    Offenbar konnten sehr viele gut mit Sander umgehen, dachte Inger Johanne.
    »Ich habe Jon unten in der Diele gehört, als Helga gegangen ist«, sagte Ellen.
    Sie fing an, an einem langen, gepflegten Fingernagel zu knabbern.
    Obwohl auch dieser Sommerabend grau war und der Himmel die ganze Zeit mit Regen drohte, war die Aussicht vor ihnen ein Erlebnis. Inger Johanne bildete sich ein, dass man an einem klaren Tag bis Dänemark sehen konnte, aber sie hatte sich immer über die Aufteilung des Hauses gewundert. Das riesige Wohnzimmer mit dem Essbereich und dahinter ein Fernsehzimmer lagen im ersten Stock. Die Küche befand sich im Erdgeschoss, im Schlafzimmergeschoss, neben der Diele. Zwar war auch die Küche groß und hatte einen Tisch für die normalen Mahlzeiten, aber sie war für Inger Johannes Geschmack doch viel zu weit vom Esszimmer entfernt.
    Natürlich war es wegen der Aussicht, erkannte sie jetzt zum ersten Mal, als sie hier vor der zwölf Meter breiten Glasfläche saß.
    »Ihr wart also ziemlich viele hier, in der Zeit kurz vor ... vor Sanders Tod?«
    »Ja. Nein, eigentlich weiß ich es ja nicht ... Doch. Also, ich war in der Küche, Jon war in der Diele und ging dann in sein Arbeitszimmer, glaube ich, während Helga schon weg war, als ich mit den Servietten nach oben kam, der letzte Schliff sozusagen, bevor ...«
    Sie verstummte und seufzte kaum hörbar. Ihre Augen waren trocken, als ob in ihr keine Körperflüssigkeit mehr übrig wäre. Sie legte die rechte Hand in einer sanften, tröstenden Bewegung an ihre Wange. Der Zeigefingernagel war fast ganz abgenagt.
    Als Inger Johanne mit Anfang zwanzig in den USA gewesen war, hatte sie den Kontakt zu Ellen fast verloren. Die Freundin wusste nichts über die katastrophalen Geschehnisse, die Inger Johanne dann nach Hause getrieben hatten. Erst viele Jahre später hatte Inger Johanne gewagt, Yngvar davon zu erzählen. Ihm und niemandem sonst. Aber Ellen hatte immerhin versucht, zu ihr durchzudringen.
    Ellen, die damals noch

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