Schattennächte: Thriller (German Edition)
erklärt, dass er Anzeige gegen Sie erstatten will. So wie es aussieht, haben Sie ihn tätlich angegriffen.«
»Sie wollen mich ins Gefängnis stecken?«, fragte Lauren fassungslos. »Das ist unglaublich! Er verschleppt meine Tochter, tut ihr Gott weiß was an – vergewaltigt sie und bringt sie um –, und Sie wollen mich einsperren, weil ich seine blöde Kamera kaputt gemacht habe?«
»Ich will Sie nicht einsperren«, sagte Mendez. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um das zu verhindern. Aber um eine Anzeige kommen Sie wohl nicht herum. Tätlicher Angriff – das ist ein Vergehen. Sie werden eine Geldstrafe bekommen.«
»Eine Geldstrafe!«
»Sie haben ihn vor Zeugen angegriffen …«
»Er hat vor Zeugen meiner Tochter nachgestellt«, hielt sie ihm entgegen. »Aber das ist ja nicht so schlimm. Er hat ja nur eine Kamera benutzt – dieses Mal.«
»Sie können die Sache nicht einfach selbst in die Hand nehmen«, sagte er und fühlte sich mies dabei, weil es das war, was er am liebsten gemacht hätte.
»Aber Sie und Ihre Leute tun ja nichts, um ihn aufzuhalten!«, schrie sie. »In wessen Hände soll ich es denn legen? Gestern hat er mir eine Karte in den Briefkasten gesteckt. Darauf stand: ›Hast du mich vermisst?‹ Für ihn ist das ein Spiel. Erst verstößt er gegen das Gesetz, dann versteckt er sich dahinter, und zu guter Letzt dreht er den Spieß um und verwendet es gegen seine Opfer. Ich kann ihn nicht aufhalten, und Sie wollen ihn nicht aufhalten. Was, zum Teufel, soll ich denn tun?«
»Warum haben Sie mich nicht angerufen und mir das mit der Karte erzählt?«, fragte Mendez. »Haben Sie sie dabei?«
»Ich habe sie weggeworfen«, sagte sie zornig. »Warum hätte ich Sie anrufen sollen? Was hätten Sie schon getan? Nichts. Wahrscheinlich hätten Sie mir erklärt, das fällt nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich, und ich soll mich an die Post wenden.«
»Wenn wir beweisen können, dass er Sie belästigt …«
»Mein Gott, er hat nicht unterschrieben! Er hat nicht mal eine Adresse daraufgeschrieben. Er hat die Karte einfach nur eingeworfen. Und jetzt macht er Fotos von mir und meiner Tochter in einer öffentlichen Anlage, vor Zeugen, aber das ist kein Beweis dafür, dass er mich verfolgt? Es ist haarsträubend!«
»Ich weiß, dass Sie enttäuscht sind, Lauren …«
»Sie wissen es?«, sagte sie gereizt. »Meinen Sie? Einen Scheiß wissen Sie.«
»Was ich damit sagen will …«
»Sie haben keine Ahnung, was dieses Schwein mir angetan hat«, sagte sie wütend. »Sie wissen nicht, wie es ist, neun Monate ein Kind in sich zu tragen, es auf die Welt zu bringen, es zu versorgen, zu lieben, und dann nimmt Ihnen jemand dieses Kind weg, um seine perversen Triebe zu befriedigen.«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Sie wissen nicht, wie es ist, diesen Mann frei herumlaufen zu sehen, während Ihr Kind verschwunden und Ihr Mann tot ist.«
»Nein.«
»Sie wissen nicht, wie es ist zuzuhören, wie er seine Rechte einfordert, während ich keine Rechte habe«, sagte sie verbittert, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Ich habe keine Rechte. Ich habe überhaupt nichts mehr außer diesem einen Kind, das mir geblieben ist, und dann soll ich ruhig dastehen und zusehen, wie er Fotos für sein Album macht?«
Mendez schämte sich in diesem Moment so sehr für das System, das zu schützen er geschworen hatte, dass er Lauren Lawton nicht in die Augen sehen konnte. Was stimmte nicht mit einer Welt, in der ein Täter mehr Rechte hatte als die Menschen, die er sich als Opfer aussuchte?
Er spürte die Verachtung in Laurens Blick.
»Erzählen Sie mir nicht, Sie wüssten, wie enttäuscht ich bin, Detective«, sagte sie. »Ich bin in diesem Albtraum gefangen, und Sie sind ein Teil des Problems, nicht die Lösung!«
Mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab und presste Hände und Stirn an die Wand, als könnte sie ein Loch hindurchbrechen und auf die andere Seite gelangen. Vielleicht schwankte aber auch der Boden unter ihren Füßen so sehr, dass sie die Wand als Stütze brauchte.
»Ich kann nicht glauben, dass das alles wirklich passiert«, rief sie mit so viel Verzweiflung in der Stimme, dass es Mendez durchfuhr wie ein Messerstich.
Er trat zu ihr und legte ihr in dem unbeholfenen Versuch, sie zu trösten, die Hand auf den Rücken.
»Ich will Ihnen helfen, Lauren«, sagte er leise. »Wirklich.«
Sie warf ihm von der Seite einen scharfen Blick zu. »Sie können mir nicht helfen.«
Sie war gefangen
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