Großvater 02 - und die Schmuggler
Mischas Tod
1. Mischa starb im Sommer 2005. Sie war eine ostsibirische Laikahündin. Im Mai wurde sie krank.
Im Logbuch, dem großen Notizbuch, in dem der Expeditionsleiter alles aufschreiben sollte, was während der Ereignisse im Sommer 2006 und davor geschah, steht als erste Eintragung: »24. Juli 2005. Beschließen Mischas Tod. Abfahrt 14 Uhr 30.«
Dieses »beschließen« hört sich natürlich komisch an. Aber die Geschichte begann und endete nun mal mit einem Begräbnis; zuerst wurde ein Hund begraben, dann ein Wolf. Zuerst war da die Geschichte, wie Mischa starb, und am Ende das Begräbnis der Wolfsmutter unter einem Apfelbaum aus Stein.
Aber es ist nicht so traurig, wie es sich anhört.
Großvater hatte übrigens gerade aufgehört zu rauchen. Er lief den ganzen Sommer herum und jammerte, wie gern er rauchen würde und wie leer das Leben geworden sei. Es war für alle unglaublich nervig. Aber das nur nebenbei.
Klar ist: Was drei Jahre zuvor bei ihrem Ausflug auf den Dreihöhlenberg passiert war, ließ den Kindern keine Ruhe.
Sie wollten dorthin zurück.
Drei Jahre nachdem Marcus und seine Geschwister ein Wolfsjunges gerettet hatten, drei Jahre nachdem Cecilia und die Laikahündin Mischa durch einen langen und lebensgefährlichen Abstieg (das war der Ton, wenn sie sich »gemeinsam erinnerten«) vom Dreihöhlenberg ihren Großvater gerettet hatten (der sich Dank seiner einzigartigen Dusseligkeit das Bein gebrochen hatte) – drei Jahre nach alldem zogen die Kinder noch einmal in das Haus Söderås im westlichen Värmland ein. In das Haus am Fuß des Dreihöhlenbergs.
Alle Enkelkinder wollten dorthin zurück. Sie grübelten viel über die Wolfsmutter und ihr kleines Junges nach: Wie es ihnen inzwischen wohl ergangen war? Und wo war der Bär? Der Bär, der mit Marcus geredet und sie vor den deutschen Wolfsmördern gewarnt hatte, der Bär, der in der dritten Höhle gewohnt hatte? Komischerweise war es Großvater, der die Enkel bremste, obwohl er selber dieselbe Sehnsucht verspürte.
Er sagte: »Ein zweites Mal macht es nie mehr so viel Spaß.«
»Ich will gar keinen Spaß haben«, sagte Marcus. »Ich will wissen, wie es meinem Bären geht.«
»Der Bär gehört dir doch nicht«, sagte Gabriel, der damals zu klein gewesen war, um etwas zu begreifen, also antwortete Marcus gar nicht, denn das war unnötig.
»Und ich will wissen, wie es dem Wolfsjungen geht, mit dem ich im Bett geschlafen habe!«, sagte Mina.
»Wovor hast du Angst, Großvater?«, fragte Marcus.
Darauf erhielt er nie eine Antwort. Großvater hatte im Frühjahr 2004 eine Herzoperation gehabt und wirkte manchmal ein bisschen blass um die Nase.
»Wir machen es noch einmal«, sagte Mina.
»So etwas kann man nicht einfach noch einmal machen«, sagte Großvater. »Außerdem habe ich Lust zu rauchen.«
»Hier wird zu viel geredet und zu wenig getan – wir fahren«, sagte Gunilla, die mit Großvater verheiratet war und die Entscheidungen traf.
Also fuhren sie. Das Haus trug, wie gesagt, den Namen Söderås. Vieles hatte sich verändert. Zum Beispiel war Mischa, die ostsibirische Laikahündin, gestorben.
2. Mischa starb am 24. Juli in einer Tierklinik in Stockholm unter Aufsicht von Großvater und Marcus.
Kann man so anfangen? Unter Aufsicht hört sich furchtbar an.
Keiner hatte erwartet, dass Mischa so schwach werden würde, aber vielleicht hätten auch die Kinder verstehen müssen, dass es am Ende so kommen musste. Mischa war ja alt, siebzehn Jahre. »Man pflegt das so zu rechnen«, erklärte Großvater, »dass jedes Hundejahr sieben Menschenjahren gleichkommt.« Was bedeutete, dass Mischa eigentlich einhundertneunzehn Jahre alt war. Wenn man in Menschenjahre umrechnete.
Sieben mal siebzehn.
Man merkte mit der Zeit, dass Mischa wirklich alt geworden war.
Als sie damals – wie es später im Buch Großvater und die Wölfe beschrieben werden sollte – Cissi den Berg hinuntergelotst hatte, trotz schwierigster Wetterverhältnisse und regenglatter Felsenklippen , da hatte noch niemand daran gedacht, dass sie alt war. Aber jetzt war sie steif in den Beinen und fast blind. Alle wussten, dass sehr alte Hunde blind werden konnten; aber dass es Mischa passieren würde, kam dennoch überraschend.
Marcus hatte es als Erster bemerkt.
Er hatte Großvater gefragt, ob mit Mischa etwas nicht in Ordnung sei. Sie bewege sich so komisch. Als ob sie nichts sähe. Hunde, die in Menschenjahren gerechnet über hundert würden, würden tatsächlich oft
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