Schattennächte: Thriller (German Edition)
verlässt, seine Fingerabdrücke ab. So wie er wahrscheinlich auch jedes Mal, wenn er die Klobrille runterklappt, seine Fingerabdrücke abwischt.«
Mendez warf rasch einen Blick in die Fahrerkabine des Wagens. Wenn Ballencoa ihn in der Nähe seines Fahrzeugs erwischte, würde Cal Dixon umgehend davon erfahren. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als die Tür zum Seiteneingang des Diner aufging. Zwei Ärzte in weißen Kitteln traten an die frische Luft.
»Wir können unmöglich da rein«, sagte Mendez. »Wenn er mich sieht, flippt er aus. Wenn er Sie sieht, flippt er aus. Wenn er uns beide dagegen nicht sieht, können wir die Verfolgung aufnehmen. Wie groß ist Ihr Hunger?«
»Ich kann von Luft leben«, sagte Tanner, bereits auf dem Weg zum Auto. Sie verzichtete gerne auf die Pancakes, wenn sie dafür erfuhr, was Roland Ballencoa nach dem Frühstück vorhatte.
Sie fuhren ein Mal um den Block und fanden einen Parkplatz in Sichtweite des Diner, ohne selbst gesehen zu werden. Tanner öffnete ihre Handtasche, nahm zwei Snickers heraus und gab Mendez einen davon.
»Das Frühstück der Champions«, sagte sie.
Mendez griff nach hinten und holte ein Fernglas nach vorn. Er brauchte einen Moment, um es scharf zu stellen, dann suchte er die Fensterfront des Diner ab, bis er Ballencoa an einem Tisch in der zweiten Reihe entdeckte.
»Was macht er?«, fragte Tanner.
»Er trinkt Kaffee und isst Eier.«
»Arschloch«, schimpfte Tanner. »Das sind meine Eier. Lassen Sie mich mal sehen.«
Mendez reichte ihr das Fernglas, und sie machten es sich in ihrer Warteposition bequem. Er musterte sie, während sie konzentriert durch das Fernglas schaute. Sie war ein merkwürdiger Mensch. Einer solchen Frau war er noch nie begegnet. Er spürte die Kraft, die von ihr ausging, obwohl sie ganz still neben ihm saß. Sie war wie ein Jagdhund, der etwas witterte, alle Muskeln angespannt, die Beute im Blick. Er könnte wetten, dass sie in allem so war – so konzentriert und bedingungslos. Er kannte nicht viele Männer von einem solchen Kaliber.
»Darf ich Sie etwas fragen?«
Unverwandt sah sie durch das Fernglas. »Nur zu.«
»Wie kommt es, dass Sie Cop geworden sind?«
»Ich war auf der Polizeischule, genau wie Sie.«
»Das habe ich nicht gemeint. Ich meine … Sie sind eine Frau …«
»Schön, dass Sie das bemerkt haben.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es für eine Frau schwierig ist«, sagte er, »bei der Polizei etwas zu werden …«
»Ach, das war ganz leicht«, sagte sie. »Ich hab mich einfach hochgeschlafen.«
Sie warf ihm einen Blick zu und prustete los, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.
»Mann, schauen Sie nicht so entsetzt«, sagte sie. »Das war ein Witz.« Sie hob das Fernglas wieder an die Augen, dann fügte sie hinzu. »Ich habe nur mit ein paar Typen geschlafen.«
»Die Frage war ernst gemeint«, sagte Mendez, ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen. »Sie haben sich ein hartes Pflaster für eine Frau ausgesucht. Warum?«
»Besser, als Pflaster verlegen.«
»Da hätten Sie aber doch auch Krankenschwester oder Lehrerin werden können«, sagte er.
Sie seufzte resigniert, weil er sich offenbar nicht mit Witzchen abspeisen ließ. Sie setzte erneut das Fernglas ab, um ihn zu mustern. Mendez hatte das Gefühl, sie überlegte ganz genau, was sie sagen wollte.
Schließlich neigte sie den Kopf zur Seite und zuckte mit den Schultern. »Ich löse einfach gerne Rätsel. Ich helfe gerne anderen. Ich habe als Kind viel Tim und Struppi gelesen.«
Standardantworten. Sie beobachtete aus dem Augenwinkel, ob er sie akzeptieren würde. Er beschloss, es zu tun – fürs Erste. Sie traute ihm nicht. Vermutlich, dachte er, traute sie niemandem so schnell – oder überhaupt jemals. Aber irgendwann würde er sie noch einmal fragen. Danni Tanner wäre das nächste Rätsel, das er lösen wollte – nach Roland Ballencoa.
Er war wütend, fürchterlich wütend. Aber er würde sich nicht von seinem üblichen Tagesablauf abbringen lassen, er brauchte das zu seiner Beruhigung. Er ging in das Diner, setzte sich an seinen Stammplatz und bestellte Eier, Toast und Kaffee. Er aß kein Fleisch und Eier auch nur wegen der Proteine. Seine übliche Bedienung, Ellen Norman, vierundzwanzig Jahre alt, mit krausem rotblondem Haar und fliehendem Kinn, bediente ihn. Das alles half ihm ein wenig, aber nicht sehr.
Er war wütend, weil sein Fotoapparat kaputt war. Sein Fotoapparat war sein Werkzeug. Was er damit machte, war Kunst. Er erlaubte
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