Schattennächte: Thriller (German Edition)
sie ihrer Tochter leise schluchzen hörte.
»Mommy …«
Laurens linkes Auge war zugeschwollen. Sie musste den Kopf drehen, um zur Küchentür sehen zu können.
Dort stand Roland Ballencoa, groß und dünn und ganz in Schwarz. Der personifizierte Tod. Mit einer Hand umklammerte er die Kehle ihrer Tochter.
Auf seinem Gesicht lag fast so etwas wie ein Lächeln. »Tja Lauren, da habe ich wohl etwas, was du willst.«
56
»Sie hat dich angeschossen«, stellte Ballencoa gleichgültig fest.
Greg Hewitt blickte auf die ausgefranste blutende Wunde an seiner Hand und dann auf die Wunde an seiner Schulter, als würde er es erst jetzt bemerken. »Kein Problem. Ein glatter Durchschuss. Nur eine Fleischwunde.«
Ballencoa hatte sich bereits einem anderen Thema zugewandt. Er sah Lauren an. »Wo sind meine Notizbücher?«
Laurens Augen wanderten zwischen den beiden Männern hin und her. Was war hier los? Warum kannten sich die beiden? Hatte Ballencoa Hewitt irgendwie gekauft? Wie war aus einem Mann, der ihr seine Hilfe angeboten hatte, ein Mann geworden, der völlig grundlos eine Fünfzehnjährige schlug?
Sie starrte Hewitt mit ihrem einen offenen Auge an. Der Geschmack ihres Blutes füllte ihren Mund wie flüssiges Kupfer. »Du hast mir angeboten, ihn umzubringen.«
»Du hättest mein Angebot besser annehmen sollen, was?«, sagte er und presste vorsichtig die linke Hand auf die Wunde an seiner Schulter. Die Walther hatte er außerhalb von Laurens Reichweite auf dem Tisch abgelegt.
Leah stand mit bebenden Schultern da und weinte leise vor sich hin.
Mein Gott , dachte Lauren, und ihr Entsetzen wuchs mit jedem Tropfen Blut, der aus dem Schnitt in ihrer Wange quoll. Das ist alles meine Schuld. Ich habe es so gewollt.
Sie hatte Ballencoa seiner gerechten Strafe zuführen wollen und dabei Greg Hewitt in ihr Leben gebracht.
Nein. Das stimmte nicht ganz. Greg Hewitt war zu ihr gekommen. Voller Mitgefühl hatte er seine Hilfe angeboten und sich die fünfzigtausend Dollar Belohnung verdienen wollen. Sie hatte angenommen, dass ihn vor allem die Gier trieb, nie war ihr der Gedanke gekommen, es könnte etwas Schlimmeres sein. Sie hatte ein Mittel zum Zweck in ihm gesehen: Roland Ballencoa zur Strecke zu bringen.
Es tut mir so leid, Schätzchen , dachte sie, und ihr Blick wanderte zu Leah.
Das Gesicht ihrer Tochter war geschwollen, ihr linkes Auge nur noch ein schmaler Schlitz. Sie zitterte am ganzen Leib. Für Lauren sah sie in diesem Moment viel jünger aus als fünfzehn Jahre. Sie war ein Kind, und Lauren wollte sie in die Arme nehmen und sie festhalten und trösten.
Damit trösten, dass sie umgebracht wird, dachte sie. Damit trösten, dass ich ihr Leben für einen letzten verzweifelten Versuch, Leslie zu finden, opfere.
Gott steh mir bei. Was habe ich getan?
»Wo sind meine Notizbücher?«, wiederholte Ballencoa.
Greg Hewitt packte mit der linken Hand Laurens Pferdeschwanz und riss sie hoch. Halt suchend klammerte sie sich an die Rückenlehne eines Stuhls, während er sie anschrie: »Beantworte die Frage!«
Lauren hätte ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt, aber sie hielt sich zurück, weil sie Angst hatte, dass er Leah dafür büßen lassen würde. Sie musste nachdenken. Sie musste ihren Verstand benutzen.
Wenn sie das früher schon getan hätte, wäre all das nicht passiert.
»In meinem Auto«, sagte sie.
»Ich will sie wiederhaben.«
»Er will sie wiederhaben«, sagte Hewitt. An den Stellen, wo sein Gesicht nicht blutverschmiert war, war es kreidebleich, und er hatte heftig zu schwitzen begonnen. Er machte Anstalten, den rechten Arm zu heben, wahrscheinlich, um sie zu schlagen, aber seine Schulter versagte ihm den Dienst. Stattdessen versetzte er ihr mit der linken Hand einen Faustschlag gegen die Schläfe, der sie erneut umwarf. Als sie am Boden lag, verpasste er ihr noch einen Tritt in die Seite.
Lauren zog die Knie an, um ihre Rippen zu schützen, und dabei bohrte sich das in ihrem BH versteckte Diktiergerät in ihre Brust. Sie drehte sich herum und rollte sich zu einem Ball zusammen, die Arme fest an den Körper gepresst. Unauffällig drückte sie den Aufnahmeknopf. Vielleicht würde es ja zu irgendetwas nütze sein.
Hewitt trat erneut zu. »Steh auf!«
»Schaff sie raus«, wies Ballencoa ihn an.
Hewitt packte sie grob am Arm, riss sie hoch und stieß sie zur Tür.
Ballencoa hatte seinen Kastenwagen auf der Rückseite der Garage abgestellt, ein paar Meter von Laurens Auto entfernt und von der Straße aus
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