Schattennächte: Thriller (German Edition)
Supermarkt geschafft«, sagte sie und gab nahezu kampflos nach. Leah hielt sich nicht damit auf, an ihrem Glück zu zweifeln. Rasch lief sie mit Sattel und Zaumzeug zur Sattelkammer, und Wendy lief hinter ihr her.
5
»Warum habe ich nur Ja gesagt«, schimpfte Lauren leise vor sich hin.
»Du musst ja nicht mitkommen, wenn du keine Lust hast«, erwiderte Leah schnippisch. »Ich kann auch allein mitgehen.«
Lauren warf ihrer Tochter auf dem Beifahrersitz einen Blick zu. »Ich soll dich allein in der Obhut von Leuten lassen, die ich nicht kenne, von denen ich überhaupt nichts weiß?«, sagte sie mit scharfer Stimme.
»Mrs. Leones Mann hat beim FBI gearbeitet.«
»Entschuldige, wenn mich das nicht beeindruckt«, erwiderte Lauren und starrte auf die Heckklappe von Anne Leones Minivan, während sie zurück in die Stadt fuhren. Sie achtete nicht auf das, was draußen zu sehen war – die Pferdekoppeln, die Lavendelfarm, der Gemüsestand am Straßenrand, an dem auch Bonsai-Bäume verkauft wurden.
»Weißt du, mit wie vielen FBI -Agenten ich in den letzten vier Jahren zu tun hatte?«, fragte sie. »Hat einer von ihnen deine Schwester zurückgebracht? Haben sie irgendetwas dafür getan, dass Roland Ballencoa hinter Gittern landet?«
Leah erwiderte nichts. Sie hielt den Blick gesenkt. Schließlich sagte sie: »Du hättest einfach Nein sagen sollen.«
»Willst du plötzlich nicht mehr?«
»Ich schon.«
»Dann willst du also nicht, dass ich mitkomme.«
»Nicht, wenn du die ganze Zeit nur schlecht gelaunt herumhockst.«
Lauren seufzte. Was sollte sie dazu sagen? Sollte sie ihrer Tochter erklären, dass sie so angespannt war, weil sie vorhin im Supermarkt vermeintlich Roland Ballencoa gesehen hatte? Oder dass sie die Nerven verloren und einen Zusammenstoß mit einem völlig Fremden provoziert hatte? Dass sie Ballencoa durch die Straßen von Oak Knoll verfolgt hatte und von einem Cop aus dem Verkehr gezogen worden war, er ihr aber besser gleich den Führerschein hätte abnehmen sollen?
Vermutlich sollte sie nichts davon zu einer Fünfzehnjährigen sagen. Da ihre Tochter sonst niemanden mehr hatte, sollte sie zumindest den Anschein erwecken, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte zu sein, und ihr ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Es war nicht so, dass sie sich das nicht selbst wünschte. Vielleicht half es ja, wenn sie so tat, als sei sie normal, auch wenn die Vorstellung, mit anderen Leuten zu Abend zu essen, so ungefähr das Letzte war, was sie wollte.
Denk an deine Tochter, Lauren. Sie verdient ein normales Leben.
»Ich verspreche dir, dass ich nichts tun werde, was dir peinlich sein müsste«, sagte sie schließlich.
Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Leah weder überzeugt noch zufrieden war, und als wäre nicht alles schon schlimm genug, fühlte sie sich jetzt auch noch schuldig.
»Ich freue mich, dass du eine Freundin gefunden hast. Wendy macht einen netten Eindruck«, sagte sie.
Aber eigentlich wollte sie sagen: Wer, zum Teufel, ist diese Wendy Morgan, wer sind ihre Eltern, was tun sie? Im nächsten Moment schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel, dass in der Pizzeria Alkohol ausgeschenkt wurde.
»Sie ist auch nett.«
»Wird sie in derselben Klasse sein wie du?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Sie ist jünger als ich.«
»Ach, schade.«
Leah, den Blick immer noch gesenkt, zuckte kaum merklich mit der Schulter. Wie ihr Vater war sie groß und schlaksig und hatte endlos lange Beine. Die Jungs aus Oak Knoll würden ihr bald auf Schritt und Tritt folgen wie junge Hunde – nicht dass Leah das genießen würde. Sie war fast krankhaft schüchtern, ganz anders als ihre ältere Schwester. Leslie hatte schon mit fünfzehn Jahren die Jungs um den kleinen Finger gewickelt und nach ihrer Pfeife tanzen lassen.
»Willst du etwa den ganzen Abend schmollen?«, fragte Lauren. »Das ist auch nicht viel besser, als wenn ich schlecht gelaunt bin. Vielleicht sollten wir uns beide bemühen, bei Leuten, die wir kaum kennen, einen guten Eindruck zu hinterlassen.«
Leah schmollte weiter.
Wenn ich im Supermarkt doch nur nicht ausgeflippt wäre , dachte Lauren. Dann hätte sie den pochierten Lachs und den Nudelsalat gekauft, dann hätte sie jetzt eine vernünftige Begründung gehabt, warum sie nicht mit zum Abendessen kommen konnten. In diesem Augenblick könnten sie auf dem Weg nach Hause sein, und sie müsste den Abend in Gesellschaft ihrer Sorgen und Nöte verbringen.
Sie bog hinter Anne Leones Minivan auf den Parkplatz
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