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0087 - Schrei, wenn dich die Schatten fressen!

0087 - Schrei, wenn dich die Schatten fressen!

Titel: 0087 - Schrei, wenn dich die Schatten fressen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Aus dicken, grauen Wolken regnete es Bindfäden, und Mary Selnick hatte das Gefühl als würde selbst der Himmel über den Tod ihres Mannes trauern.
    Dabei war sie die einzige, die echtes Leid empfand.
    Man hatte soeben seinen Sarg in die Grube gelassen, eine billige Totenkiste, denn Geld stand Mary Selnick kaum zur Verfügung. Die Träger waren auch brummig davongetrottet, weil sie kein Trinkgeld bekommen hatten. Mary weinte.
    Der Regen tropfte auf ihren dunkelgrauen Schirm.
    Es war kaum jemand zur Beerdigung gekommen. Drei Knastbrüder mit ihren Bewachern und der Pfarrer, der Mary damit einen persönlichen Gefallen tun wollte, denn ihr Mann hatte nie viel von der Kirche und deren Würdenträger gehalten.
    Der Geistliche war der einzige, der sich noch am Grab aufhielt. Auch er wurde durch einen Schirm geschützt. Vorsichtig trat er einen Schritt vor. Auf dem nassen Lehm rutschte man zu schnell aus. Der Pfarrer tippte auf Marys Schulter.
    »Mrs. Selnick«, sagte er leise.
    Mary drehte sich um.
    Der Geistliche schaute in zwei verweinte Augen und in ein schmales blasses Gesicht, in das die harten Jahre tiefe Falten gegraben hatte. Jetzt schien die Frau noch mehr gealtert zu sein, denn der Schmerz fraß in ihr wie eine Säure.
    »Bitte?« hauchte sie.
    »Ich… ich…« Der Pfarrer räusperte sich. »Ich möchte sie gern nach Hause bringen.«
    Mary schüttelte den Kopf. »Nein, nicht. Machen Sie sich keine Mühe. Ich möchte noch von Hank Abschied nehmen.«
    »Ja, natürlich. Wie Sie wollen.« Der Pfarrer respektierte den Wunsch der Frau. »Wenn ich noch irgend etwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen. Ich bin jederzeit für Sie da.«
    »Danke, Herr Pfarrer, Sie sind sehr nett.«
    »Aber ich bitte Sie.« Der Geistliche nickte der Frau noch einmal zu und ging.
    Mary Selnick schaute ihm nach, bis seine gebeugte Gestalt hinter der hohen Hecke verschwunden war. Zurück blieb das eintönige Rauschen des Regens.
    Die Witwe wandte sich wieder um und schaute in das Grab. Naß glänzte der Sarg. Soeben spülte das Wasser die Blätter der letzten Rosen weg. Sie waren das Zeichen einer großen Liebe. Ja, Mary Selnick hatte ihren Mann geliebt. Obwohl er ein Gesetzesbrecher war. Zwei Jahre hatte er im Zuchthaus gesessen, dann war er gestorben. Mit achtundvierzig Jahren, in einem Alter, wo andere erst anfingen, richtig zu leben. Aber Hank hatte die Bank ausgeraubt, daran gab es keinen Zweifel. Er wollte endlich mal Geld haben, und die Banken hatten genug davon. Er hatte sie immer für die größten Volksbetrüger gehalten, und Mary gab ihm da recht.
    Aber nicht die Polizei hatte Hank gefaßt, sondern eine Frau.
    Eine Privatdetektivin.
    Name: Jane Collins!
    Ihr war es gelungen, Hank zu stellen. Und Selnick hatte sich ergeben. Einfach so. Er war schnell verurteilt worden. Drei Jahre sollte er sitzen. Der Tod jedoch hatte ihn vorher ereilt.
    Für Hank Selnick war das Zuchthaus die Hölle gewesen. Das hatte er immer wieder beteuert. Die Atmosphäre dort machte ihn krank, diese Unmenschlichkeit, die Härte, mit der sich die einzelnen Gefangenen untereinander bekämpften. Hank hatte schwer darunter gelitten. An den langen, einsamen Abenden wurde nur alles noch schlimmer. Bis Hank dann ein Hobby gefunden hatte.
    Es war die Thanatologie, die Lehre von der Sterbensforschung. Benannt nach Thanatos, dem griechischen Gott des Todes. Diese Lehre ist erst seit ungefähr hundert Jahren bekannt und auch erforscht worden. Namhafte Juristen und Mediziner haben sich damit beschäftigt und herausgefunden, daß menschliche Wesen den Tod überleben. Das heißt, die existieren nach dem Tod auf verschiedenen Bewußtseinsebenen weiter, die den körperlichen Menschen nicht zugänglich sind. Diese Bereiche können in bestimmten Situationen verlassen werden, und dann kommt es zu Begegnungen mit den Toten.
    Es war in letzter Zeit viel über dieses Gebiet geschrieben worden. Scharlatane und auch ernstzunehmende Wissenschaftler hatten sich damit beschäftigt und waren reich geworden, denn ihre Bücher erschienen in hohen Auflagen.
    Hank Selnick gehörte zu den Leuten, die die Bücher kauften. Seine Frau mußte ihm immer die Neuerscheinungen besorgen. Und Selnick hing sich rein. Er las und las. Oft saß er nächtelang über seinen Büchern, was den Wärtern nur recht war, denn Selnick wurde immer ruhiger.
    Eines Tages etwa vier Wochen vor seinem Tod besuchte ihn seine Frau wieder einmal.
    Hank war sehr aufgeregt, und als sie sich in dem kahlen

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