Schattennächte: Thriller (German Edition)
desselben Einkaufszentrums ein, in dem sich auch der vermaledeite Supermarkt befand.
Na toll. Bei ihrem Glück hatten die Leute, die nachmittags im Supermarkt arbeiteten, abends einen Nebenjob in der Pizzeria. Aber vielleicht war sie ja so schnell in der Damentoilette verschwunden, dass keiner sie richtig gesehen hatte.
Sie holte tief Luft, bevor sie aus dem Auto stieg und ihrer Tochter zum Restaurant folgte.
Leah und Wendy gingen mit den beiden kleinen Leones hinein und steuerten gleich auf die Spielecke zu, wo sich schon ein halbes Dutzend andere Kinder mit den Wippen und Dschungellianen vergnügten. Lauren sah ihnen hinterher und wünschte, sie könnte ihnen folgen, weil sie sich davor fürchtete, mit jemandem allein zu sein, dem sie bei einem Gespräch schlecht ausweichen konnte.
In dem Lokal roch es himmlisch nach italienischem Essen. Die unverputzten Ziegelwände, die mit rotem Kunstleder bezogenen Sitzecken und die langen Esstische auf dem dunkelgrün gefliesten Boden verliehen dem Raum Flair. Auf mehreren großen Fernsehschirmen lief ein Spiel der Dodgers.
Das Restaurant war voll, und es war laut. Lauren sah sich um. Kein Ballencoa. Hier hatte sie ihn heute ausnahmsweise auch nicht erwartet. Vielleicht hatte sie ja doch noch nicht völlig den Verstand verloren.
»Was machen Sie eigentlich beruflich, Lauren, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Anne Leone, nachdem sie in einer großen Sitzecke Platz genommen hatten.
»Ich bin Inneneinrichterin.«
»Wie interessant. Wollen Sie in Oak Knoll ein Atelier eröffnen?«
»Nein«, sagte sie, dann fiel ihr ein, dass man nach den Regeln des Small Talks nicht nur einsilbige Antworten geben durfte. »Ich nehme mir gerade eine Auszeit.«
»Dann haben Sie auch Zeit, um sich einzugewöhnen. Das ist eine gute Idee. Man kann den Sommer hier richtig genießen. Bald findet das Musikfestival statt, und im Herbst kommt die Kunstmesse. Wobei Oak Knoll in dieser Hinsicht wohl keine Konkurrenz zu Santa Barbara darstellt.«
Lauren rang sich ein Lächeln ab, ahnte jedoch, dass es wahrscheinlich so aussah, als käme sie gerade mit einer tauben Lippe vom Zahnarzt. »Wir haben einfach einen Tapetenwechsel gebraucht.«
Die Kellnerin brachte ihnen die Speisekarte und nahm die Getränkebestellung auf. Anne Leone bestellte Ginger Ale für sich und die Kinder und eine Cola für Wendy. Lauren bestellte für Leah eine Cola, dann zögerte sie.
»Hier gibt es Wein von den hiesigen Weingütern«, sagte Anne. »Sehr zu empfehlen, wenn Sie Weintrinkerin sind. Ich würde selbst ein Glas Merlot trinken, wenn ich dürfte. Aber ich habe vor ein paar Wochen festgestellt, dass Baby Nummer zwei unterwegs ist.«
»Nummer zwei?«, fragte Lauren verwirrt.
»Haley ist adoptiert. Nehmen Sie den Merlot.«
»Ich hätte gerne den Merlot«, sagte Lauren zu der Kellnerin. Peinlicherweise durchfuhr sie ein Gefühl der Erleichterung. Sie blickte Anne an. »Sehe ich so aus, als bräuchte ich ihn?«
»Überhaupt nicht«, sagte Anne mit einem Lächeln, das vielleicht eine Spur zu freundlich, zu verständnisvoll war.
Lauren schätzte, dass sie selbst zehn Jahre älter als Anne Leone war, aber Annes Blick zeugte von einer Weisheit, wie man sie nur zum Preis schlimmer Erfahrungen erwarb. Sie musste ihr eigenes Paket zu tragen haben.
Es tröstete Lauren irgendwie, daran erinnert zu werden, dass sie nicht der einzige Mensch war, der durch die Hölle gegangen war. Dieser Weg war breit ausgetreten.
Anne bestellte einen großen Salat für alle und eine Extraportion Knoblauchbrot.
»Auf Wein verzichte ich ja die nächste Zeit freiwillig, aber niemand wird mich davon abhalten, Knoblauchbrot zu essen«, witzelte sie. »Ist mir egal, ob ich bei der Geburt mehr breit als lang bin.«
Lauren kicherte. »Bei mir war es Schokoladeneis. Davon konnte ich nicht genug kriegen. Bei Leslie noch mehr als bei Leah.«
Es war eine bittersüße Erinnerung. Wir irrsinnig glücklich sie während der Schwangerschaft mit Leslie gewesen war. Auch Lance war begeistert gewesen, dass er Vater wurde, und er hatte Lauren auf Händen getragen und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen.
So sehr er sich darüber gefreut hatte, Vater zu werden, so verzweifelt war er über den Verlust seiner Tochter. Für sie beide war es wie der Sturz von den höchsten Höhen in die tiefsten Tiefen.
»Ich weiß von Ihrer vermissten Tochter«, sagte Anne ruhig. »Wendy hat es erwähnt, und Vince und ich haben den Fall damals in den Nachrichten
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