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Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clay und Susan Griffith
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Umständen vielleicht attraktiv gefunden hätte.
    Dennoch hatte sich die junge Frau gemeinhin geweigert, an das bevorstehende Ereignis zu denken. Der Gedanke an das Gewicht eines Fremden auf der anderen Seite ihres Bettes hatte ihr viele schlaflose Nächte beschert, in denen sie atemlos und in Angstschweiß gebadet dalag. Weder konnte noch wollte sie sich vorstellen, wie sich die vom Krieg rauen Hände ihres Verlobten auf ihrer Haut anfühlen würden. Ihr Spion im Amt für das Hofprotokoll hatte ihr vertraulich mitgeteilt, dass über die Frage des sexuellen Verkehrs noch verhandelt wurde und dass dieser, wenn er sich auch vermutlich nicht völlig ausschließen ließ, doch zumindest auf das notwendige Minimum beschränkt werden würde, um einen Erben zu zeugen. Diese Ehe war eine politische Notwendigkeit und deshalb Adeles Pflicht, doch sie bezweifelte, dass sie jemals mehr als das sein würde.
    Abwesend hob Adele die Hand und berührte durch den dicken Stoff ihrer schweißfeuchten Bluse den kleinen Talisman, der an einer Kette um ihren Hals hing. Sie trug ihn anstelle des schönen, goldenen Medaillons mit dem Foto ihres Verlobten, das tief in ihrem Gepäck vergraben war. Den religiösen Kristallstein hatte sie von ihrem verehrten Mentor Mamoru zu ihrem Schutz bekommen, und er schenkte ihr ein Gefühl von Gelassenheit und Ruhe. Doch Adele hielt ihn verborgen. Niemand durfte wissen, dass die Prinzessin solch einen Gegenstand des Aberglaubens trug. Die Mitglieder des Hofes hegten bereits den Verdacht, dass ihr jugendlicher Überschwang ein Omen für ihr Versagen als Kaiserin war. Sie brauchten ganz sicher nicht zu wissen, dass sie einen Hang zum Okkulten und Wundersamen besaß. Die »bessere« Klasse der Menschen in Equatoria steckte Religion und Magie in ein und dieselbe Schublade. Kirchen, Moscheen und Tempel existierten zwar noch, und es wurden auch Gottesdienste abgehalten, doch diejenigen, die daran teilnahmen, betrachtete man bestenfalls als wunderlich und schlimmstenfalls als geistesgestört. Mamoru war ein sehr spiritueller Mann, und Adele fand diesen Teil von ihm faszinierend. Er behauptete, dass Spiritualität und Naturalismus die Vam pire ebenso zerstören würden wie Stahl und Dampfkraft. Es war nur eine Frage des festen Glaubens und der richtigen Ausübung.
    Die Ptolemy begann im zitternden Schein chemischer Glühbirnen zu erstrahlen. Die anderen Schiffe der Flotte erschienen als verschwommene, gelbe Schatten am Nachthimmel. Weit unter dem Schiff lag die Erde verborgen in alles verschlingender Dunkelheit, die Adele zugleich faszinierte und ängstigte, seit sie die Lichter der Zivilisation im Reich hinter sich gelassen hatten und ins vampirische Grenzland Südfrankreichs eingedrungen waren.
    Prinz Simons drängende Stimme riss Adele aus ihren Gedanken. »Glaubst du, dass wir hier draußen dem Greyfriar begegnen werden?«
    Verwirrt schüttelte Adele den Kopf. »Was? Dem Greyfriar? Wovon um alles in der Welt redest du denn nun schon wieder?«
    »Vom Greyfriar! Er ist ein Held, der gegen die Vampire im Norden kämpft.«
    »Ach ja. Nein, natürlich nicht. Es gibt ihn doch nicht einmal wirklich, Simon. Er ist nur eine Geschichte, damit sich die Leute besser fühlen.«
    Simon kniff die Augen zusammen, verärgert über die Unwissenheit seiner Schwester. »Er ist keine Geschichte. Es gibt ihn wirklich. Ich habe Bilder in einem Buch gesehen. Er hat Schwerter und Pistolen und trägt eine Maske. Die Leute sagen, dass er in Brüssel hundert Vampire getötet hat. Hundert!« Der junge Prinz fuchtelte mit dem Arm herum, als haue und steche er mit einem Schwert. »Er ist ein meisterhafter Fechter mit allen Klingen! Seine Schwerter bewegen sich so schnell, dass Vampire sie nicht sehen können! Wusch, wusch, wusch! Ihre Köpfe rollen, noch bevor sie überhaupt merken, dass der Greyfriar da ist! Ha! Colonel Anhalt, Sie glauben doch an den Greyfriar, nicht wahr?«
    Mit gespielter Ernsthaftigkeit antwortete der Soldat über die Schulter hinweg: »Das tue ich sehr wohl, Ho heit. Ich hörte ebenfalls, dass er in Brüssel hundert Vampire getötet hat.«
    »Siehst du, Adele? Ich habe es dir gesagt!«
    »Sei still, Simon«, entgegnete Adele nur.
    »Warum können wir ihn nicht treffen? Ich wette, wenn wir ihm sagen, dass wir kommen, würde er uns sehen wollen. Wir sind die kaiserliche Familie von Equatoria.«
    »Wir können ihn nicht treffen, weil es ihn nicht gibt! Und jetzt verhalte dich ruhig und hör auf mich!«
    Simon schmollte

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