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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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durch meinen Kopf, doch es war nur eine Frage von Sekunden, dann würde sich alles zusammenfügen. Ich würde es endlich begreifen!
    Da streifte Sams angewinkeltes Knie meinen Oberschenkel, und die mathematischen Puzzlestücke wurden wie von einem Blitzeinschlag davongeschleudert. Ich saß da, vollkommen elektrisiert, mit weit aufgerissenen Augen. Sam hielt ebenfalls mitten im Satz inne - es klang, als hätte jemand den Ton abgestellt. Dann fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Wir schauten uns an und einen Moment lang schien es mir so, als wäre jetzt alles möglich. Als könnte ich einfach meine Hand ausstrecken und seine Wange berühren, ihm etwas Liebevolles sagen. Als wäre es das Natürlichste der Welt, Sam Bristol nah zu sein.
    Unvermittelt sprang die Zimmertür auf und eine Frau in einer Kassiererinnen-Uniform aus dem Supermarkt trat ein - Sams ältere Schwester Sina, von der ich bislang nur gehört hatte. Die Ähnlichkeit der beiden war nicht zu übersehen, sie hatte Sams schön geschwungenen Mund, der im Gegensatz zum schmalen Gesicht und der ausdrucksstarken Augenpartie stand. Ihr Haar, das sie hochgesteckt trug, war a llerdings deutlich heller als Sams, das Lena stets als ausgeblichenes Straßenköterblond bezeichnete und ich als Sandfarbe. Zwar lächelte sie uns an, aber es war deutlich, dass sie erschöpft und alles andere als glücklich über die Besucher in ihrem Wohnzimmer war.
    »Hallo«, sagte sie, wobei sie im Türrahmen stehen blieb. »Habt ihr einen schönen Abend gehabt?«
    Sam musste sich räuspern, bevor seine Stimme so klar klang wie sonst auch. »Na ja, schön … Ich habe Mila mit Mathe gequält und Rufus hat die Zwerge ins Bett gebracht.«
    »Mila …« Sina sprach meinen Namen aus, als habe sie ihn schon einmal gehört. Oder zumindest bildete ich mir das ein.
    Doch bevor seine Schwester den Gedanken weiterspinnen konnte, sagte Sam: »Rufus hat Nele sogar gewickelt. Hoffentlich läuft sie nicht aus.«
    Sina stieß noch ein leises »oh, danke« aus, ehe sie im Kinderzimmer verschwand.
    »Dann machen wir uns wohl am besten einmal aus dem Staub.« Rufus hatte sich mit Schwung aus dem Sessel hochgedrückt und schmiss die Zeitschrift, in der er bislang hoch konzentriert gelesen hatte, zurück auf den Stapel.
    »Ja«, erwiderte Sam, stand ebenfalls auf und rührte sich dann nicht weiter. »Denkst du, das heute Abend hat etwas gebracht oder war es vergebliche Liebesmüh?« Sein Blick war auf den Ordner auf dem Wohnzimmertisch gerichtet, während er sprach. Dafür war ich ihm auch ausgesprochen dankbar, denn ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, wovon er redete.
    »Unbedingt. Diese Idee, mir das Ganze visuell zu erklären, war einfach super. Für eine Sekunde sah es sogar so aus, als stände ich kurz vor der Erleuchtung.«
    »Erleuchtung dank Sam, das wäre doch nichts Neues.« Rufus griff sich den Ordner und marschierte zielstrebig auf die Zimmertür zu. Aber ich sah gar nicht ein, mich mit einem rasch dahingeschmissenen »Danke« zu verabschieden. Also sagte ich, bevor mein Bruder mich auf den Hausflur schubsen konnte: »Das waren jetzt doch locker zwei Stunden, in denen du mit mir geübt hast. Meine Eltern bezahlen Bjarne pro Stunde …«
    Sam unterbrach mich mit einer hastigen Geste. »Kein Geld. Dafür habe ich es nicht gemacht. Ich meine …« Verlegen biss er sich auf die Unterlippe, eine so süße Geste, dass ich mich regelrecht ermutigt fühlte.
    »Dann vielleicht ein Mittagessen am Wochenende, wenn du Zeit hast? Ich kann nämlich nicht nur malen, sondern auch kochen. Kochen nach Farben, sozusagen. Wir nennen es ›Buntes Essen‹. Ich menge alles zusammen und stelle es auf den Tisch, wenn es richtig aussieht. Ohne zu probieren.«
    Sam lachte leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Entweder war er nicht ganz so selbstsicher, wie ich stets angenommen hatte. Oder er wusste bloß nicht, wie er mich abwimmeln sollte. Ich setzte gerade dazu an, mein überschwängliches Angebot zurückzunehmen, da sagte er: »Buntes Essen, das klingt doch gut. Ich könnte am Sonntag vorbeikommen, wenn es deinen Eltern nichts ausmacht.«
    »Ist schon okay«, mischte sich Rufus zu meinem Erstaunen ein. »Reza ist froh, wenn jemand anderes das Essen klarmacht und sie stattdessen im Garten werkeln kann. Und unser Vater liebt das Zeug, das Mila zusammenmischt. Wenn du dafür sorgst, dass sie sich freiwillig in die Küche stellt, wird er dir ausnahmsweise mal nicht den Kopf abreißen wollen, wenn du

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