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0231 - Meer der weißen Särge

0231 - Meer der weißen Särge

Titel: 0231 - Meer der weißen Särge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Um diese Zeit fuhr kein Tourist mehr auf den Kanälen. Es war drei Uhr morgens, eine Zeit, in der sogar die meisten Wasserratten schliefen. Man wartete auf den neuen Tag, holte Atem, der die Stadt dann mit einem quirligen Leben erfüllte.
    Von weit her ertönte ein klagendes Lied. Ein einsamer Gondoliere sang es. Sein Lied erzählte von einer unendlichen Traurigkeit, von Depressionen und Vergänglichkeit. Die klagende Melodie fing sich über dem Wasser und huschte geisterhaft als Echo durch die engen Kanäle, bevor sie irgendwo verklang wie das Säuseln eines Sommerwindes.
    Aus den schmalen Wasserstraßen stieg ein seltsamer Geruch an den Fassaden empor. Moder, Verwesung, fauliges Wasser – all dies vereinigte sich zu einem atemnehmenden Gestank, der träge wie Blei über der Perle an der Adria lag.
    Das Lied des Gondoliere verstummte. In den engen Wassergassen wurde es wieder still. Hier und da brannte in den Häusern ein vereinzeltes Licht. Meist schimmerten nur gelbe Streifen durch die Lücken in den Fensterläden und malten ein verschwommenes, zuckendes Muster auf die Wellenkämme.
    »Venedig wird sterben!« hauchte auch das junge Mädchen und schmiegte sich enger an seinen Begleiter, mit dem es in dem düsteren Flur stand, wobei es das graue Rechteck der Tür nicht aus den Augen ließ.
    Der Mann zuckte zusammen. Für Sekunden verkrampften sich seine Hände, bevor er antwortete: »Wir schaffen es, Franca, wir schaffen es ganz bestimmt.«
    »Nein, Marco, ich glaube nicht daran.« Sie atmete tief ein und schüttelte sich dann, als wollte sie den Gestank loswerden, der sich auch in ihrer Kleidung festgesetzt hatte. »Du hast den Frevel begangen, und dafür werden wir büßen.«
    »Ich kann mich wehren!« Die Stimme des Mannes klang laut, und Franca legte erschrocken einen Finger auf seine Lippen.
    »Willst du, daß man uns hört?«
    »Es ist mir egal.«
    »Sei nicht verrückt. Du hast das Grab gefunden. Und jetzt ist die Sache für uns erledigt, denk immer daran!«
    »Ich will aber nicht.« Seine Hand legte sich auf die Hüfte des Mädchen und fuhr daran herunter, bis sie die Oberschenkel erreicht hatte. Dort verharrte sie.
    »Der Gondoliere hat aufgehört zu singen, Marco. Auch er gab auf. Denk daran. Es war eine letzte Warnung. Sie werden kommen, das verspreche ich dir.«
    »Dann sind wir weg.«
    »Und wohin? Du bist nirgends sicher. Auch mich werden sie fangen.« Franca schüttelte sich. »Diese Stadt steckt voller Grauen. Ich spüre es. Da sind viele Gräber, von denen wir nichts wissen. Auch in den alten Bleikammern leben sie noch. Ich… ich glaube…«
    »Wir werden gehen.«
    »Und dann?«
    »Nichts. Bei der Polizei sind wir sicher.«
    »Falls man uns glaubt.«
    Marco hob die Schultern. Er konnte Francas Angst verstehen.
    Auch er hatte es nicht für möglich gehalten, was sich hier im geheimen abspielte, aber sie hatten den Beweis bekommen, und der war schrecklich genug.
    »Ich schaue mal nach«, flüsterte Marco. Ohne eine Antwort des Mädchens abzuwarten, schritt er zur Tür. Unter seinen Sohlen knirschte der Dreck. Kleinere Steine wurden zertreten. Von den Wänden war der Putz gerieselt. An vielen Stellen waren Löcher zu sehen, als hätte jemand mit einem Hammer gegen die Mauern geschlagen.
    Vor der Tür holte Marco noch einmal tief Atem. Sein schmaler Körper spannte sich. Die Tür selbst war so alt wie das Haus. Es grenzte an ein Wunder, daß sie sich überhaupt noch öffnen ließ. Die gebogene Klinke zeigte die Form einer Löwenpranke. Im Laufe der Zeit hatte das Metall Rost angesetzt, und sie ließ sich nur stockend bewegen, bevor sie so weit war, daß Marco die Tür aufziehen konnte.
    Durch den Spalt schaute er nach draußen.
    Die Häuserwände gegenüber schienen so nah zu sein, daß er sie mit der Hand hätte greifen können. Davor schimmerte das Wasser.
    Eine schwarze träge Flüssigkeit, die kleine Wellen warf, an den Wänden entlangleckte und das sowieso schon poröse Gestein noch immer weiter aushöhlte.
    Dafür jedoch hatte der junge Mann keinen Blick. Er verschwendete nicht einmal einen Gedanken daran, für ihn war wichtig, dem Unheil zu entkommen.
    Ein Blick nach rechts und links.
    Die Luft war rein!
    Kein Verfolger befand sich auf dem Wasser. Die Boote, die auf den Wellen dümpelten, waren alle festgetaut. Links sah er den Schatten einer schmalen Brücke. Sie führte über das Wasser von einer Seite zur anderen, und Marco war schon oft über die alten Steine gegangen.
    Bevor er das Haus

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