Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe
Lippen.
Ich versuchte noch sein Gesicht zu lesen, da hatte er mich auch schon an sich gezogen und küsste mich mit einer Leidenschaft, die meine Vorsicht unschuldig aussehen ließ. Nur zu gern verlor ich mich in dem Spiel, begriff wie im freien Fall, dass seine Hände auf Wanderschaft gingen, über meinen Rücken glitten und mir schließlich die Jacke von den Schultern streiften. Erst als ich ebenfalls nach seinem Shirt langen wollte und mir dabei empfindlich den Ellbogen an der Tischkante stieß, kam ich wieder zu mir.
»Eng hier«, sagte ich überflüssigerweise und schielte auf das Bett am Ende des kleinen Raums.
Leider folgte Sam meinem Blick nicht, sondern wich ein Stück von mir zurück. »Wir sollten besser aufhören damit. Dieser Wohnwagen ist nicht gerade der richtige Ort, um …«
»Der Ort ist nicht entscheidend«, unterbrach ich ihn. »Entscheidend ist, dass ich dich will. Und du mich. Wenn sich daran nichts geändert hat …«
»Daran hat sich nichts geändert. Wie sollte es auch?« Sams Meeresaugen leuchteten auf und verrieten den Sturm, der in ihm tobte, während seine Aura überraschend mild blieb. »Ich liebe dich.«
»Dann solltest du das vielleicht auch langsam einmal tun, und nicht bloß immerzu davon sprechen.«
Sams Augenbrauen fuhren ob dieser unverblümten Anmache in die Höhe, und auch ich selbst konnte kaum glauben, was ich da gerade gesagt hatte. Aber jetzt, da es endlich raus war, brauchte ich wenigstens nicht länger die Zurückhaltende zu spielen. Kurz entschlossen packte ich
Sam beim Ledergürtel und zog ihn hinter mir her in Richtung Bett.
»Du gehörst mir, mit Haut und Haaren«, trieb ich das Spiel noch ein wenig weiter, während ich mich niederließ, wobei ich ihn im Blick behielt wie eine Beute, die ich auf keinen Fall mehr entkommen lassen würde.
»Was du nicht sagst.« Mit seiner atemberaubenden Eleganz streifte Sam das T-Shirt ab. Mir kam es vor, als würde ich ihn zum ersten Mal auf diese Weise sehen. Ein anmutiger, junger Mann … und die Begierde, die in seinen Augen aufflammte, zielte einzig und allein auf mich. »Und dabei wollte ich jetzt eigentlich dich in Besitz nehmen.«
Es gelang mir gerade noch einmal, nach Luft zu schnappen, dann war er auch schon über mir. Seine warme Haut, sein Duft, die Magie seiner Berührung. Ich ließ mich fallen, immer tiefer, voller Vertrauen … und wurde nicht enttäuscht.
Nach und nach war es dem Westwind gelungen, die graue Wolkendecke aufzureißen. Ein strahlend blauer Himmel kam zum Vorschein, das Licht so klar, dass ich blinzeln musste. Es war mir zuvor nie aufgefallen, wie intensiv das Schattenspiel im Herbst war. Jede Verwerfung im Sand zeichnete einen scharfen Schatten. Das Spiel des Seehafers machte mich mit seinem Flirren ganz schwindelig. Wohlig benommen kuschelte ich mich noch tiefer in die Decke, in der ich eingewickelt draußen auf der Trittleiter des Wohnwagens saß. Meine Gedanken streiften umher, machten vor nichts halt, sondern genossen den ungebremsten Flug, das Wissen, dass alles gut war. Ich fühlte mich leicht, obwohl da ein dumpfes Pochen in meinem Körper war. Kein Schmerz, nur ein Nachhallen.
Als die Tür hinter mir aufging und Sam sich neben mich auf die Stufe setzte, ließ ich mich gegen seine Schulter sinken. Während ich mich an ihn schmiegte, erschien das Bild vor meinen Augen, wie wir miteinander verschmolzen waren. Zwei Hälften, die ein Ganzes bildeten. So hatte es sich angefühlt: wie eine wahrhaftige Vereinigung. Die körperliche Seite war berauschend und beängstigend zugleich gewesen, aber was sie darüber hinaus bedeutet hatte, begriff ich erst allmählich.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Sam, eine Spur schüchtern.
»Erlöst und ganz leicht … Ist das nicht seltsam?«
Sam lachte leise. Fast bemerkte ich es nur über das sanfte Beben, das seinen Körper durchlief. »Seltsam, ja. Ich kann nicht sagen, was ich erwartet habe. Zuerst kreisten meine Gedanken darum, dass ich dir nicht wehtun wollte. Aber als es so weit war, habe ich gar nicht mehr darüber nachgedacht. Ehrlich gesagt, ist da kein einziger vernünftiger Gedanke in meinem Kopf mehr vorhanden gewesen. Es war alles so … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es war so, wie es sein sollte. Ohne Angst, ohne Scham …«
»Wir gehören zusammen«, flüsterte ich.
Schweigend drückte Sam meine Hand. Mir kam jegliches Zeitgefühl abhanden, ich beobachtete die Schatten, fühlte dem schwächer werdenden Pochen nach, dem
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