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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Menschen, Menschen unter meinem Kommando!«
    Herwarth machte einen Schritt auf Wolfgang zu, packte ihn an den Rändern seines Helms und zerrte ihn daran auf die Beine. »Hör mir zu, Junge«, zischte er dann, leise genug, dass ihn seine Männer nicht verstanden, aber nicht so leise, dass Wolfgang nicht die Wut des Fürstens heraushören konnte, »du hast es falsch verstanden. Komplett falsch. Krieg bedeutet Zahlen, nicht Menschen, nichts mehr als Mathematik und Logistik! Du gewinnst eine Schlacht, indem du ihnen mehr wehtust, als sie dir wehtun, und darauf kommt es an, auf gewonnene Schlachten! Wir haben ein Dutzend von ihnen getötet und ungefähr zwanzig ihrer Frauen entführt, sogar freiwillig mit ihrer Einwilligung. Wenn wir sie auf das Feld stellen, können wir zwanzig unserer Bauern zu Kriegern machen und müssen nicht einmal Wachen für sie abstellen. Abgesehen davon gehörte ihre Patrouille zu den besser ausgerüsteten ihrer Männer, Ausrüstung, die nun uns nützt und ihnen fehlt. Du siehst, wir gewinnen, in jedem Aspekt!«
    »Aber …« Wolfgang war fassungslos. »Aber es waren
Menschen

    »Glaubst du wirklich, ich wüsste das nicht? Glaubst du vielleicht, es macht mir Spaß, meine Männer in den Tod zu schicken? Nein, das macht es mir nicht! Aber ich tue, was getan werden muss, um diesen Krieg zu gewinnen, und wenn dazu gehört, die Leben meiner Männer gegen die der Gegenseite einzutauschen, dann werde ich das nicht mögen, aber ich werde es tun! Es herrscht Krieg, und es
werden
Leute sterben, noch viel, viel mehr. Gewöhne dich an den Gedanken!« Damit wandte er sich abrupt ab und stapfte davon. »Macht, dass ihr fertig werdet!«, befahl er mit lauter Stimme. »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit!«
    Frustriert und mit noch immer zu Fäusten geballten Händen sah Wolfgang dem Fürsten hinterher. Schließlich beugte er sich zu Boden nach seinem Kurzschwert, wischte es an seinem ohnehin völlig verdreckten Umhang sauber und steckte es zurück in die Scheide an seiner Seite. Anschließend stapfte er durch das Watt zu Herwarths Boot.
     
    Auf der Rückfahrt zur Harburg, dem germanischen Vorposten an der Süderelbe, herrschte Totenstille, in der das leise Glucksen der mit Fellen umwickelten Riemen und das leise Knarren des Bootes unnatürlich laut wirkten. Keiner redete, zu groß war die Angst davor, von ihren Gegnern entdeckt zu werden. Eigentlich hatten die Sachsen versucht, schon dem ersten Gefecht aus dem Weg zu gehen – niemand glaubte, dass ihr Glück noch für ein
zweites
ausreichen würde. Dreißig Augenpaare versuchten angespannt, die Finsternis zu durchbohren und Anzeichen einer Bedrohung auszumachen, doch es war nichts zu sehen. Der Schattennebel, der über dem faulig stinkenden Wasser der Norderelbe hing, war zäh und undurchdringlich. Gewöhnliche Sinne würden hier nicht weiterhelfen.
    Wolfgang hatte sowohl seine verstärkten Sinne als auch sein Magiegespür aktiviert. Die Anstrengung, beide Zauber gleichzeitig aufrecht zu erhalten, ließ seine Hände zittern und Schweiß von seiner Stirn rinnen. Und dennoch nahm er kaum mehr wahrals die anderen – den angestrengten Atem der Ruderer, den feinen Ölgeruch inmitten der Fäulnis, die Totenblässe in den Gesichtern der Kinder, das magische Leuchten von Herwarths Aura als Jarl, aber nichts, was auf irgendeine Bedrohung schließen ließ. Falls sie von einem Phantom verfolgt wurden, was sie alle fürchteten, hatte er es noch nicht entdecken können.
    Die Ebbe hatte den Wasserpegel um mehr als einen Meter sinken lassen, so dass die vielen kleinen Elbinseln mit ihrem Bewuchs aus Schilf und Strauchwerk aufragten wie kleine Türme. Wolfgang versuchte, sie mit seinen Blicken zu durchbohren. Eine Handvoll Bogenschützen auf einer solchen Insel könnte ihrem Boot sehr schnell zum Verhängnis werden. Von oben herab boten den Sachsen nicht einmal die Schilde an den Bordwänden Deckung.
    Plitsch,
machten die Riemen jedes Mal, als sie alle gemeinsam eintauchten. Wolfgangs verstärkte Sinne ließen ihn deutlich spüren, wie das Boot mit jedem Ruderschlag an Fahrt gewann, wie es dazwischen jedes Mal wieder langsamer wurde.
Plitsch

    Dabei waren weder Phantome noch versteckte Bogenschützen die Hauptgefahr, ja, nicht einmal gegnerische Boote, die die Hamburger Trolle angeblich gebaut hatten. Eine viel größere Bedrohung hing über dem Landstrich wie ein schwarzer Schleier. Es gab einen Dämon in Hamburg.
    Wolfgang griff instinktiv zu dem kleinen Amulett in

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