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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Nicht einmal er selbst war glücklich darüber, aber es war wahr:Wenn Derrien veranlasst hatte, dass die Germanen
nach
der Schlacht gewarnt wurden, konnten sie ihn trotz seiner zahlenmäßigen Überlegenheit am Fuß der Treppe aufhalten.
    Und obwohl bisher alles so geschehen war, wie der Weiße Baum behauptet hatte, traute Rushai ihm keinen Millimeter über den Weg.
    Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis seine Krieger marschbereit waren, eine Stunde, die er größtenteils damit verbrachte, sich Berichte seiner Anführer anzuhören und
Angurvadel
zu säubern. Als ihm schließlich der Anführer der Vorhut, ein Schatten namens Tarakir, meldete, dass die Armee zum Aufbruch bereit war, sprang er voll neuer Energie auf die Beine und ließ sich sein Pferd bringen. Gemeinsam mit einem Dutzend seiner besten Kundschafter führte er es durch die Festung und das mittlerweile geöffnete Treppentor.
    Vor ihm lag das tief verschneite Tal, das den Pass mit der Stadt verband – Kêr Bagbeg, wie es die Kelten nannten, oder Åndalsnes in der Sprache der Germanen. Die Berghänge waren dicht bewaldet, und auch das Tal stand zum großen Teil voller Bäume. Dahinter jedoch lagen Felder und noch weiter weg der Romsdalsfjord, dessen Fischreichtum dafür gesorgt hatte, dass Bretonen und Fisch nicht mehr auseinanderzudenken waren. Sobald ihm dieser Fjord gehörte, konnte Lord Ashkaruna Ur’tolosh weiter nach Norden schicken und Rushai hier mit dem Siedeln beginnen.
    Es war ein erhabenes Gefühl, die Treppe hinabzugehen, die ihm zehn Jahre lang verwehrt geblieben war. Doch trotz des Stolzes, den er empfand, blieb er vorsichtig: Acht seiner Späher schickte er voraus, und jeden einzelnen wies er an, die Kapuzen tief in das Gesicht zu ziehen. Sie meckerten zwar nicht mit Worten – so dumm war keiner, der es in die innere Riege seiner Ranger schaffte –, aber mit Blicken, doch die Maßnahme musste sein. Das, was sie durch die Kapuzen an Wahrnehmung verloren, gewann er an Sicherheit. Er war zu weit gekommen, um jetzt auf dieser Treppe einem Schwarzen Pfeil aus dem Hinterhalt zum Opfer zufallen. Zur Sicherheit schnallte er sogar
Waldsegen
von seiner Hüfte und überreichte es dem Ranger hinter sich.
    Die Treppe war unangenehm glatt, so glatt, dass sein Pferd, das von einem seiner Ranger am Zügel geführt wurde, abrutschte und sich ein Bein brach. »Tötet es«, befahl Rushai, ohne mit der Wimper zu zucken. Es gab genügend andere Tiere in seinem Heer, so dass es auf eines nicht ankam. »Und sagt den Männern nach euch, dass sie vorsichtig sein sollen. Die Treppe ist gefährlich.« Grundsätzlich war es ihm ja ebenso egal, ob sich einer seiner Krieger auf dem Weg nach unten ein Bein oder seinetwegen auch das Genick brach, doch er hasste es, Ressourcen zu verschwenden. Und seine Krieger waren kostbare Ressourcen. Mickey verpasste kaum eine Gelegenheit, ihn daran zu erinnern, wie viel Anstrengung es den Clan kostete, immer neue Menschen für den Transfer in die Innenwelt zu beschaffen. Und selbst wenn die oberste Ratte Bergens gerne übertrieb, hörte Rushai ihm zu, ganz im Gegensatz zu Lord Ashkaruna.
    Sie waren etwa eine halbe Stunde lang unterwegs, als der Vorderste seiner Kundschafter plötzlich stehen blieb und die Hand hob. Er ging kurz in die Hocke, vermutlich um eine Spur zu untersuchen, und erhob sich gleich wieder. »Blut«, sagte er laut.
    Rushai nickte zufrieden. Offenbar hatte Derrien mit einem weiteren Punkt Wort gehalten. Hier waren vermutlich die Boten abgefangen worden, die von der Festung aus in die Stadt geschickt worden waren.
    »Kommt heraus«, flüsterte er seinem Hintermann auf Englisch zu. »Wir wissen, dass ihr da seid!«
    »Kommt heraus!« rief dieser in die Dunkelheit jenseits ihrer Fackeln. »Wir wissen, dass ihr da seid!«
    Sie warteten, zuerst zehn Sekunden, dann zwanzig, schließlich eine Minute.
    »Ich komme jetzt raus!«, rief schließlich eine tiefe Männerstimme. »Aber seid gewarnt, ein Pfeil ist auf Euch gerichtet!« Sein Englisch hatte einen deutlichen norwegischen Akzent, so dassRushai nicht wusste, welchem der Keltenstämme er wohl angehörte. Es war ohnehin nicht wichtig – bei den Waldläufern waren alle Stämme vertreten. Er schmunzelte. Wenn der Mann nur wüsste, dass sein Schwarzer Pfeil auf einen einfachen Ranger gerichtet war …
    Kurz darauf waren stapfende Schritte im Schnee zu hören. Ein einzelner Krieger trat in den Schein ihrer Fackeln. Der Mann versteckte sein Gesicht hinter einem Schal und

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