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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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es machen sollte. Eine Zeitlang hatte es meine Mutter überhaupt nicht
     mit dem Reden.
    Ganz selten sah sie von ihrer Näherei auf, um von dem Haus in Paghman zu sprechen, das wir mal gehabt hatten. Ich war zwar
     dort geboren, aber wir waren geflüchtet, bevor sich die Bilder in meinem Kopf festsetzen konnten. Also zog ich meine Erinnerungen
     aus den Worten meiner Mutter, sah den Stolz in ihren Augen, wenn sie Zimmer mit bemalten Wänden und dicken, tiefroten Sitzkissen
     beschrieb, Vorhänge vor Glasfenstern, eine Küche, so sauber, dass man vom Fußboden hätte essen können, und einen Garten voller
     gelber Rosen.
    »Wir waren nicht reich wie die Leute in Wazir Akbar Khan, Fawad, aber wir waren glücklich«, erklärte sie mir dann. »Das war
     natürlich lange, bevor die Taliban auftauchten. Und jetzt! Sieh uns doch an! Wir haben nicht mal mehr einen Baum, an dem wir
     uns erhängen könnten.«
    Ich kannte mich da nicht so aus, aber es war ziemlich offensichtlich, dass meine Mutter deprimiert war.
    Sie sprach nie von der Familie, die wir verloren hatten, nur von dem Haus, das uns einst geschützt hatte – nicht besonders
     wirksam allerdings. Nachts jedoch hörte ich sie manchmal den Namen meiner Schwester flüstern. Dann streckte sie die Arme nach
     mir aus und zog mich an sich. Daher weiß ich, dass sie mich lieb hatte.
    In diesen Situationen, wenn wir fast wie ein einziges Wesen auf den Kissen lagen, die uns tagsüber als Sitzgelegenheit dienten,
     brannte ich darauf zu reden. Ich fühlte, wie sich die Wörter in meinem Kopf drängten, nur darauf lauerten, aus meinem Mund
     zu schlüpfen. Ich wollte alles wissen, über meinen Vater, über meine Brüder, über Mina. Ich wollte sie unbedingt kennenlernen,
     wollte, dass sie in den Worten meiner Mutter wieder lebendig würden. Aber sie flüsterte immer nur den Namen meiner Schwester,
     und aus Feigheit schwieg ich, weil ich Angsthatte, wenn ich etwas sagte, würde es den Zauber durchbrechen, und sie würde sich von mir wegdrehen.
     
    Wenn es hell wurde, war meine Mutter schon auf und gerade dabei, ihre Burka überzuziehen. Wenn sie aus dem Haus ging, rief
     sie mir noch eine Liste von Anweisungen zu, die immer mit »Geh in die Schule!« begann und mit »Halt dich von Jahid fern!«
     endete.
    Im Großen und Ganzen versuchte ich ja, diese Anweisungen zu befolgen, aus Respekt vor meiner Mutter – uns Afghanen sind unsere
     Mütter wertvoller als alles Gold, das im Keller des Präsidentenpalastes lagert –, aber es war nicht leicht. Und wenn ich auch
     wusste, dass sie mich, wenn ich ungehorsam wäre, nicht schlagen würde – im Gegensatz zu Jahids Vater, der anscheinend das
     gottgegebene Recht zu haben glaubte, mir an jedem Tag, den die Sonne werden ließ, Ohrfeigen zu verpassen –, würde sie doch
     diesen Blick haben, diese Enttäuschung in den Augen, die da wohl schon sein musste, seit ich aus dem Schattendunkel gekrochen
     war.
    Ich bin noch ein Junge, aber mir war schon klar, dass unser Leben schwer war. Nur war es für mich immer so gewesen, ich kannte
     nichts anderes. Meine Mutter dagegen, mit ihren Erinnerungen an tiefrote Kissen und gelbe Rosen, war in einer Vergangenheit
     gefangen, von der ich kaum etwas wusste, also verbrachte ich meine Tage meistens damit, von außen in ihr Gefängnis hineinzugucken.
    So war es schon, solange ich denken konnte, und doch will ich glauben, dass sie mal glücklich war, dass sie mit meinem Vater
     an den klaren Wassern des Qagha-Sees lachte, dass ihre grünen Augen, die Augen, die ich geerbt habe, liebevoll lächelten,
     während ihre kleinen Hände, weich und sauber, mit dem Saum eines goldenen Schleiers spielten.
    Meine Mutter war einmal sehr schön, das erzählte mir meine Tante in einem überraschenden Anfall von Redseligkeit. Aber dann
     senkte sich der Schatten herab, und obwohl meine Mutterdas nie sagte, vermutete ich, dass sie mich dafür verantwortlich machte. Ich war eine Erinnerung an eine Vergangenheit, die
     sie in die blumenlose Hölle des Hauses ihrer Schwester getrieben hatte, und nach allem, was ich wusste, hasste meine Mutter
     ihre Schwester noch mehr als die Taliban.
    »Sie ist nur neidisch!«, schrie meine Mutter einmal so laut, dass es meine Tante im Nachbarzimmer hören musste. »Sie war immer
     schon neidisch – neidisch auf alles an mir, darauf, dass ich einen gebildeten Mann geheiratet habe, auf unser glückliches
     Leben damals … aber ich denke schon lange nicht mehr dran, mich dafür

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