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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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abhob. Joe starrte auf den Schnitt in Fallons Arm. Er erinnerte sich an ihren Blick, den sie auf die Wunde geworfen hatte – zuerst verwundert und dann wütend. Jetzt verstand er es. Es war die erste Wunde eines Mannes, der ihr die Welt versprochen hatte, wenn sie bei seinem Spiel mitmachte. Doch während sie ihre Rolle gespielt hatte, hatte der Mann sein Versprechen gebrochen.
    Das Handy in Joes Tasche klingelte. Er zog es heraus. Nachdem sekundenlang Stille herrschte, erkannte Joe, dass Duke kaum einen Ton herausbrachte, weil er sich vor Lachen krümmte.
    »O Gott«, stieß er schließlich glucksend hervor. »Sind Sie jetzt zufrieden? Nur Sie und ich, Mann gegen Mann.«
    »Sie halten es für ehrenwert, was Sie tun, nicht wahr?«, sagte Joe. »Das Vergewaltigen und Morden. Aber in Wahrheit, Rawlins, ist es niederträchtige Rache. Ein mieses Motiv, das Sie keinen Deut von allem anderen menschlichen Abschaum unterscheidet.«
    »Und wenn Sie die Chance hätten«, sagte Duke, »würden Sie mir keine Kugel verpassen für das, was ich tun werde?«
    »Was Sie tun werden? Was meinen Sie damit?« Joe riss das Handy von seinem Ohr weg und brüllte hinein: »Wissen Sie was? Ich spiele nicht mehr mit, Sie feiger Hund!« Er schleuderte das Handy über den Rasen. Seine Kehle war rau, sein Gesicht schmerzte. Er vergrub den Kopf in den Händen. Dann begriff er, dass Duke keine Freude an seinen Schandtaten haben würde, wenn er ihm nicht dabei zusah. Er blieb stehen und ließ den Blick schweifen, bis er auf dem besten Aussichtspunkt haften blieb, den es hier gab.
    »Wollen Sie die Akte haben?«, rief er in die Dunkelheit. »Ich habe sie hier.«
    Plötzlich glitt ein heller Lichtstrahl über ihn hinweg und versank im Meer.
    »Großer Gott«, sagte O’Connor, der sich nach links beugte, während er auf die Straße schaute und gleichzeitig Franks Nummer in sein neues, funkgesteuertes Handy tippte. Er bekam den winzigen Joystick in der Mitte kaum zu fassen. »Blödes Scheißding«, fluchte er und hielt am Straßenrand. O’Connor nahm das Handy und scrollte zu Franks Nummer. Er wählte, erhielt aber die Mitteilung, dass keine Netzverbindung zustande kam.
    »Wo bist du, du kleiner, verschlafener …« Es tat ihm sofort Leid, und er verstummte. Im Grunde mochte er Frank. Aber in diesem Augenblick hätte er ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst, obwohl alle anderen es ebenfalls übersehen hatten.
    O’Connor fuhr zurück auf die Straße und gab Vollgas. Es war entsetzlich, was mit Katie geschehen war. Tiefe Traurigkeit erfasste ihn, als er an das Mädchen dachte, das er nur von Fotos kannte.
    Sie hatten Katie im Stich gelassen – er, O’Connor, allen voran. Sein Name würde für immer mit einer dilettantischen Ermittlung in Verbindung stehen. Jetzt konnte er nur noch hoffen, rechtzeitig anzukommen und den einzigen Abschluss herbeizuführen, der Katie Lawson Gerechtigkeit widerfahren ließe.
    Richie Bates hatte den Streifenwagen hinter dichten Sträuchern außerhalb von Shore’s Rock geparkt. Der Anblick Joe Lucchesis lähmte ihn. Der Detective aus New York wurde in das schaurige Licht einer in die Höhe gerichteten Taschenlampe gehüllt, als er brüllend einen Gegenstand in die Luft schleuderte. Dann rannte er auf den Leuchtturm zu.
    Mit kreischenden Reifen kam O’Connors’ Wagen vor der Wache zum Stehen. Der Detective sprang heraus, rannte zur Tür und wollte die Sprechanlage betätigen, hielt dann aber inne, atmete tief durch und drückte langsam und bedächtig auf die Taste. Und wartete. Klingelte erneut. Rief Franks Namen. Doch niemand reagierte.
    Anna verlor immer wieder das Bewusstsein. Über das Seil, das sie an die Leiter fesselte, sank ihr Oberkörper nach vorn und schnitt ihr in den Magen. Sie war zu schwach, um ihre Knie zu beugen oder mit den Füßen Halt auf den Sprossen der Leiter zu finden. Ihre Handgelenke waren mit dünnem Draht auf dem Rücken gefesselt. Ein dicker Streifen Klebeband haftete auf ihrem Mund.
    »Mein Gott!«, krächzte Joe. Annas Augen waren geschlossen, ihr Körper erschlafft. Joe steckte die Akte in die Tasche und riss Anna das Klebeband vom Mund. Er griff um die Leiter herum und zog an dem blutigen Seil. Der Knoten löste sich, und das Seil fiel auf Annas Oberschenkel herab. Joe wollte sie an sich drücken, doch als seine Hand über ihren Rücken glitt und er die Feuchtigkeit spürte, verkrampfte sich sein Magen. Vorsichtig zog er die Hand zurück, hob sie über ihre Schulter und sah das Blut,

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