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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Fleisch und vielleicht auch die Seele des Mannes mit sich davontragend. Die kohlschwarze Silhouette zeichnete sich kurz am Himmel ab, bevor sie endgültig verschwand.
    Krampfhaft versuchte ich, wieder ruhig zu atmen. Die Kreatur hatte nicht gemerkt, dass ich ihr die ganze Zeit schon gegenübergestanden hatte, aber wenn ich mich gerührt hätte, wenn ich mich nur einmal gerührt hätte, wenn ich nur etwas geräuschvoller geatmet hätte, wäre sie gewiss über mich hergefallen. Ich hatte also Glück gehabt. Ungeheures Glück. Wieder einmal. Doch das Glück eines Diebes ist eine flatterhafte Dame, die sich jederzeit abwenden kann. Solange sie mir freilich die Treue hält, bleibe ich bei meinem Handwerk.
    Jetzt fiepte in der dunklen Nische im Haus gegenüber eine Ratte, dann noch eine, eine Fledermaus jagte die späten Junifalter.
    Die Gefahr war vorüber, endlich konnte ich meinen Weg fortsetzen. Ich löste mich von der Mauer, hielt mich aber weiterhin in möglichst dunklen Bereichen der Straße. Nichts deutete auf das, was sich eben ereignet hatte. Allein die Straße war zum stummen Zeugen der nächtlichen Jagd dieses Dämons geworden.
    Zum Glück war es eine mondlose Nacht, und die Schäfchenwolken schirmten die Stadt gegen die Sterne ab, sodass es nun mehr als genug Schatten gab. Lautlos und mit schnellen Schritten huschte ich von Haus zu Haus, von Schatten zu Schatten. Die Straße der Bäcker lag bereits hinter mir, nun bog ich in die Gasse rechter Hand ein. Hier war der Nebel noch dichter, er fasste mit weichen Tatzen nach mir, erstickte meine Schritte, entzog mich den Blicken von Mensch und Nicht-Mensch.
    Plötzlich flüsterte jemand im Schatten. Ich blieb stehen und spähte in die graugelbe Finsternis. Diebe. Junge Diebe. Warteten sie auf einen nächtlichen Passanten oder wollten sie ihre schlafenden Mitbürger um ihr Hab und Gut erleichtern? Diese Grünschnäbel. Was die für einen Lärm machten! Meisterdiebe verständigen sich mit Gesten, geben selbst in einer Nacht wie dieser, in der der klebrige Nebel jedes Geräusch schluckt, keinen Laut von sich. Als ich an ihnen vorbeischlich, bemerkten mich diese Möchtegerndiebe nicht einmal, denn ein ungeschultes Auge erkennt den Schatten im Schatten nicht ohne Weiteres. Am liebsten wäre ich aus dem Nebel herausgesprungen und hätte sie wie ein Kind mit einem »Buh!« erschreckt. Aber womöglich hätten sie mich dann abgestochen. Abgesehen davon: Warum sollte ich diese Milchbärte überhaupt erschrecken?
    Die dunkle Gasse endete, die hohen Mauern der Häuser, die in dieser Welt schon mancherlei Freude und Kummer gesehen hatten, wichen zurück. Der Wind hatte die Wolken inzwischen wieder auseinandergetrieben, sodass sich der Himmel in ein Tischtuch verwandelt hatte, auf dem ein reicher Mann seine Münzen ausgeschüttet haben musste. Hunderte, Tausende von Sternen beleuchteten mir die kalte Sommernacht.
    Hier brannten zudem einzelne Laternen, schließlich hatte ich einen der großen Plätze erreicht, an denen die Lampenanzünder ungeachtet ihrer Furcht ihre Arbeit verrichten mussten. Die Flammen unter der Glashaube warfen einen flackernden Lichtfleck, bizarre Schatten tanzten stumm an den Hauswänden. Das war schlecht. Ich hoffte, der Wind würde seine grauen Schäfchen noch einmal über den Himmel treiben. So lange hielt ich mich jedoch besser im Schatten, presste ich mich gegen das Gemäuer.
    Ich befand mich am Grok-Platz. Grok selbst stand in seiner Mitte und musterte mich wortlos mit Augen, denen nichts entging. Grok war ein Kriegsherr, der in grauer Vorzeit unser Königreich vor einem Einfall der Orks gerettet hatte. Jetzt stand er als Bronzedenkmal mitten auf dem Platz, auf dem es früher selbst nachts von Menschen nur so gewimmelt hatte.
    Gleich hinter dem Denkmal lag das Ziel meines nächtlichen Ausflugs.
    Ein gewaltiger klotziger Steinbau, umgeben von einer hohen, zinnenbewehrten Mauer aus Steinquadern, die im Zwergengebirge gehauen worden waren, in jenen Zeiten, als diese Rasse unserem Königreich noch freundlich gesonnen war. In diese Mauer waren vier Fenster eingelassen, in denen sich der Himmel und die Sterne spiegelten. Ein völlig geschmackloses Monstrum, obendrein eine ungeheure Geldverschwendung – was man gegenüber Kronherzog Pathy jedoch besser nicht erwähnte. Leisten konnte er sich seine architektonischen Vorlieben jedenfalls nur, weil er als Cousin des Königs für die Staatskasse verantwortlich war. Darüber hinaus frönte er noch der Liebe zu

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