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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Urgroßvater unseres ruhmreichen Königs, Stalkon  IX ., hat sie Mores gelehrt, sie fast bis in ihre Heimat zurückgejagt und gezwungen, einen Friedensvertrag zu unterschreiben. Seit dieser Zeit leben Vagliostrien und die Doralisser mehr oder weniger friedlich zusammen, auch wenn die Gemeinschaft der Böcke in der Stadt nicht mehr als zweihundert Kreaturen zählt. Der einzige Grund, warum wir diese behörnten und zänkischen Wesen überhaupt ertragen, sind ihre hervorragenden Pferde, die Doralissaner. Im Sultanat und den Elfenhäusern zahlt man für einen solchen Gaul horrende Summen. Jäh blieb ich in einer Gasse stehen, ich glaube in der Straße der Fleischer, und rang nach Luft. Hatten diese Kreaturen nicht etwas geschrien, als ich gerade meinen Unterschlupf betreten wollte und sie sich auf mich gestürzt hatten? Etwas wie: »Gib uns unser Pferd zurück!«? Waren die jetzt vollends umnachtet? Ich bin ein Meisterdieb, klaue also keine Gäule. Ein Irrtum ihrerseits? Oder hatte mich jemand angeschwärzt? Markun vielleicht? H’san’kor geh mir an die Gurgel! Was war das bloß für eine Woche?
    Aus der Nachbarstraße vernahm ich erneut Geblöke und nahendes Hufgetrappel. Die Doralisser hatten offenbar eingesehen, dass ich mich nicht unter dem Umhang versteckt hatte, und setzten nun ihre Jagd fort. Sollte ich im Schatten Schutz suchen? Das hätte ich im Grunde längst getan, wenn diese Böcke nicht ein so vortreffliches Witterungsvermögen besäßen. Jedenfalls behaupteten das alle. Eigentlich gab ich nicht viel auf diese Gerüchte, wollte sie jetzt aber auch nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen. Andererseits konnte es so nicht weitergehen. Ausgelaugt wie ich war, würden mich diese Monster lebend, aber völlig wehrlos auflesen. Oder ihre wütenden Schreie würden unnötige Aufmerksamkeit auf meine Person lenken. Zum Beispiel seitens der Dämonen der Nacht. Deshalb musste ich alles auf eine Karte setzen. Ich streckte die Hand in den Ausschnitt und zog die Rolle mit dem Kampfzauber heraus, die ich vorhin in der Bibliothek entliehen hatte. Den hatte ich mir zwar für die Beinernen Paläste aufsparen wollen, aber was soll’s!
    Hastig zerriss ich das schwarze Band und entrollte das Pergament. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was dieser Zauber bewirkte. Ich kniff die Augen zusammen, um die kleinen, verschnörkelten Buchstaben im Mondlicht entziffern zu können, und las vor: »Laosto s’ha f’nadra koli set! I’hna ash shaaah’yda!«
    Meine Zunge verknotete sich in meinem Mund, als sie verzweifelt versuchte, dieses Kauderwelsch auszusprechen. Nachdem ich die magischen Worte verlesen hatte, wies ich mit theatralischer Geste auf die näher rückenden Doralisser.
    Nichts geschah.
    Gar nichts. Wie ein Dummkopf stand ich mitten auf der nächtlichen Straße, mit der Hand auf die Böcke zeigend und den Mund offen vor Staunen. Die Runenmagie der Rolle hatte versagt!
    Oder hatte ich den Spruch vielleicht nicht richtig vorgelesen?
    Also gut, noch einmal! Ich schaute auf das Pergament, fluchte und warf es weg. Die Tinte verschwand! Ich hatte keinen Fehler gemacht. Warum aber passierte dann nichts? Da ich, wenn ich hier vor Ort grübelte, ein hervorragendes Ziel für die Keulen der Doralisser abgäbe, beschloss ich, die missliche Situation lieber im Laufen zu ergründen. Nach ein paar Minuten, als mir bereits beißender Schweiß in die Augen lief und meine Lungen wie die Blasebälge in den Schmieden der Gnome pfiffen, schwante mir, dass ich rein gar nichts mehr ergründen würde. Die Böcke liefen vielleicht nicht so schnell wie wir Menschen, übertrafen uns, was die Ausdauer betraf, jedoch allemal.
    Ich sackte gegen die Mauer eines Gebäudes, einen dichten schwarzen Schatten werfend. Der scharfe Geruch frisch ausgenommenen Fischs stieg mir in die Nase. Ein schrecklicher Gestank, ohne Frage. Der mir jedoch zupasskam, denn diese Monster würden nun nicht Garrett wittern, sondern einzig den Fisch. Meine Armbrust war geladen, ich verharrte reglos und versuchte, durch den Mund zu atmen, damit ich bei diesem umwerfenden Aroma nicht in Ohnmacht sank.
    Die Böcke tauchten dann bald auf, keuchend und meckernd, im Gänsemarsch und nach allen Seiten spähend, in den Händen ihre dornenbesetzten Keulen. Auf dem kräftigen, muskulösen Rumpf eines Menschen saß ein Ziegenkopf mit Bart und kleinen, aber scharfen Zähnen. Wenn die Köpfe und die Hufe nicht gewesen wären, hätten sie ohne Weiteres als Hafenarbeiter durchgehen

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