Schattenwanderer
überhaupt aus dem Dunkel rausgelassen?« Ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus der heiklen Situation.
»Der Herr!« Und noch mal Geschüttel.
»Der Unaussprechliche?«
Der Dämon schnaubte nur und vertilgte mich erneut mit seinem hungrigen Blick. Er verfügte über ein ganz besonderes Talent, meine Nerven zu zerrütten.
»Wuchjazz hat Hunger.«
»Ja?«, fiepte ich.
»Ja! Und außerdem braucht Wuchjazz Hilfe.«
Da war sie, meine Gelegenheit!
»Vielleicht kann Garrett dir helfen?«
»Möglich.« Wuchjazz beschnupperte mich, aus seinem Mundwinkel rann ein glibberiger Speichelfaden.
»Nein, ich meine in der anderen Sache«, brachte ich verzweifelt heraus.
»Ja?« Obwohl den Dämon meine Worte aus dem Konzept brachten, zog er seine gezahnte Fratze erst einmal von mir weg. »Wuchjazz will in dieser Welt bleiben. Im Dunkel ist das Futter schlecht. Garrett hilft Wuchjazz.«
»Klar! Was muss ich denn tun?«, fragte ich mit der Bereitschaft, das Zwergengebirge der Erde gleichzumachen.
»Hilf Wuchjazz!«
Oje, dieses Monster war so dumm wie alle Doralisser Ungawas zusammen.
»Du könntest mich wohl nicht auf dem Boden absetzen? Dann würde ich dein Problem nämlich besser verstehen.«
Der Dämon beäugte mich misstrauisch, machte aber trotzdem, worum ich ihn gebeten hatte, trat völlig aus der Mauer heraus und baute sich vor mir auf, auf den dicken grauen Schwanz gestützt. »Pass auf! Wenn du zu fliehen versuchst, schnapp ich dich und saug dir das Mark aus den Knochen.«
Ich beeilte mich ihm zu versichern, ich sei Wuchjazz mit ganzer Seele ergeben.
»Man schleppt mich bald ins Dunkel. Egal, wie gut ich mich verstecke.«
Ja, bitte! Und je eher, desto besser!, dachte ich, während ich die höfliche Miene eines aufmerksamen Zuhörers aufsetzte.
»Aber wenn ich etwas finde, bleibe ich lange hier. Ich spüre es. Es ist in der Stadt. Wuchjazz ist klug«, rief er mir ein weiteres Mal in Erinnerung.
»Und was musst du finden?«
»Das Pferd.«
Klar. Ein Gaul hat mehr Fleisch als ein Mensch. Und dieser Dämon ist riesig. Und hungrig.
»Gut.« Die Aufgabe war so schwer nicht. »Morgen bringe ich dir dein Pferd. Welche Rasse ziehst du vor?«
»Du bist dumm«, zischte der Dämon und schnippte mich mit einem seiner bekrallten Finger weg. Von dem sanften Stoß flog ich einige Schritt nach hinten. »Kein lebendes Pferd, sondern das Pferd.«
»Äh … natürlich, hättest du ja gleich sagen können, dass du das Pferd meinst!« Da Unwissenheit ein sicherer Weg in Wuchjazz’ Magen war, hielt ich es für ungefährlicher, klug aufzutreten, selbst wenn ich nichts begriff.
»Ich gebe dir vier Tage. Wuchjazz ist klug. Bring mir das Pferd!« Der Dämon sah mich in Erwartung einer Antwort an.
»Natürlich! Gewiss! Ich mach alles.« Den Kern des Gesprächs hatte ich immer noch nicht begriffen, aber ich wollte unbedingt von diesem Monster wegkommen, das mir nichts dir nichts aus Wänden herauswuchs und wieder in ihnen verschwand.
»Ich beobachte dich.« Der Dämon durchbohrte mich mit seinen goldenen Augen. »Erfülle meinen Befehl, sonst sauge ich dir das Mark aus den Knochen. Wuchjazz ist klug. Niemand täuscht ihn.«
Der Dämon trat in die graue Wand und löste sich auf. Ich blieb noch stehen, bis sich mein wild hämmerndes Herz beruhigt hatte.
Was hieß das nun schon wieder? Erst stürzten sich diese stumpfsinnigen Doralisser auf mich und verlangten ihr Pferd von mir zurück, dann las ich einen Zauberspruch, der Gott weiß wie viele Jahrhunderte im Archiv der Bibliothek gelegen hatte, und vollbrachte damit, was dem gesamten Orden einfach nicht glücken wollte. Ich hatte alle Dämonen zurück ins Dunkel getrieben. Na gut: fast alle. Denn ein völlig ausgehungerter und kreuzdämlicher Dämon war geblieben und hatte mich am Kragen gepackt und ebenfalls ein Pferd gefordert. Ob Wuchjazz und die Doralisser hinter dem gleichen Pferd her waren? Vielleicht sollte ich sie ja mal miteinander bekannt machen, damit sie sich in Sachen Pferd einigen konnten?
Ich ging nach Hause, ohne mich auch nur im Geringsten zu verbergen, in der sicheren Gewissheit, dass mich kein einziger Dämon angreifen würde, von Wuchjazz einmal abgesehen. Ich bräuchte mir keinen neuen Unterschlupf zu suchen, konnte sämtliche Probleme auf morgen vertagen, durfte ins Bett fallen und den Schlaf des Gerechten schlafen. Bis zum Aufbruch nach Hrad Spine blieben mir noch sechs Tage.
Kapitel 6
Überraschungen am Tage
Poch! Poch! Poch!
Das hartnäckige
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