Schattenwandler 01. Jacob
Energie durch eine sehr reale Straße gezogen, viele Meilen weit, vom Ausgangspunkt bis zum Endpunkt. Diese Spur konnte von denen, die wussten, wie es ging, leicht aufgenommen werden.
Das Problem stellte sich am Ende des Weges. Je näher man an das Versteck eines Nekromanten kam, desto verwirrender wurde die Suche. Jacob hatte besonders während der letzten Abberufungen erfahren, dass die Nekromanten sich sehr gut tarnen konnten. Sie benutzten Zaubersprüche und magische Zeichen und noch einige andere Methoden, um sich auch für den stärksten Dämonenjäger unsichtbar zu machen.
Das war immer der Punkt, an dem Jacob gezwungen war, sich mehr auf seine Instinkte und auf seinen Verstand zu verlassen als auf seine Sinne. Leider gab es in Vierteln wie der Bronx, so also auch im Fall von Saul, unzählige Möglichkeiten, sich zu verstecken. In der Umgebung von Isabellas Wohnung befanden sich Dutzende von Lagerhäusern. Wenn sie nicht ihre Vorahnung gehabt hätte, wäre viel zu viel Zeit damit vergangen, sie alle zu durchsuchen.
Nekromanten dagegen waren nicht besonders gut darin, sich unauffällig zu verhalten. Oft hatte Jacob sie einfach dadurch aufgespürt, dass er ihnen die gleiche Frage gestellt hatte wie Isabella in der Nacht, als sie das erste Mal aufeinandergetroffen waren. Und ganz oft zogen auch die merkwürdigen Aktivitäten eines Nekromanten die Aufmerksamkeit auf sich. Und dann gab es noch einen wichtigen Punkt, den sie nicht verbergen konnten: ihren Geruch. Wenn sie nicht allzu lange zuvor die Straße hinuntergegangen waren, fand der Vollstrecker sie im Handumdrehen.
Jacob sprang von der Steinfratze herunter und raste zur Straße, während er allmählich schwerer wurde und die Erdanziehung verstärkte. Lautlos landete er neben Noah.
„Meine Spur ist kalt. Hattest du Glück?“
„Nein“, seufzte Noah und rieb sich den schmerzenden Nacken.
„Sie können nicht weit sein.“
„Spürst du Bella schon?“
„Nein, noch nicht.“ Jacob presste die Kiefer aufeinander. Und dann nahm er plötzlich einen vertrauten Duft wahr.
„Elijah“, sagten Noah und er wie aus einem Mund.
Im nächsten Augenblick manifestierte sich Elijah direkt vor ihnen.
„Was gibt es Neues?“
„Gideon glaubt, dass er sie finden kann“, erklärte Elijah. „Er sucht die Gegend in seiner astralen Form ab. Er hat etwas darüber gesagt, dass Bellas genetischer Code für ihn wie ein blinkendes Neonschild sei. Ich habe keine Ahnung, was das heißt, aber es klang verdammt gut.“
Isabella rückte in die äußerste Ecke des Pentagramms, da sie etwas Abstand zwischen sich und Legna bringen wollte, um dem weiblichen Dämon so vielleicht zu helfen, sein Bewusstsein wiederzuerlangen.
Zwei der Nekromanten hatten den Raum verlassen. Der dritte arbeitete etwas weiter weg in der provisorischen Küche. Die Zauberin saß immer noch auf dem Tisch und kaute Kaugummi, während sie in einem Buch las, das genauso alt wirkte wie die Bücher aus der Bibliothek der Dämonen, in denen Isabella gelesen hatte. Trotz des aufgeschlagenen Buches vor ihr ließ die Frau Isabella nur selten aus den Augen.
Ein paar Minuten später legte die Magierin das Buch zur Seite und sprang vom Tisch. Sie schob die Hände in die Taschen und schlenderte hinüber zu dem Pentagramm.
„He, du“, wandte sie sich an Isabella. „Was hast du da an? Ich meine die Bänder und das Kleid?“
Isabella legte den Kopf schräg und betrachtete die andere Frau.
„Ich war auf einer Hochzeit“, sagte sie leise. Es war offensichtlich, dass Ingrid nicht mit einer Antwort von Isabella gerechnet hatte, denn sie riss überrascht die Augen auf.
„Auf einer Hochzeit? Bei euch gibt es Hochzeiten?“
„Ja.“ Isabella trat ein wenig dichter an den Rand des Pentagramms. „Wir haben Hochzeiten, wir haben Ehemänner und Ehefrauen und Kinder. Bei uns gibt es Künstler, Dichter, Ärzte und Minister, genau wie bei euch.“
„Ja sicher.“ Ingrid stieß ein schnaubendes Lachen aus.
„Warum sollte ich lügen?“
„Weil du alles tun würdest, um deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.“
„Und ist das, was wir zum Überleben tun, so viel anders als das, was ihr tätet, wenn ihr an unserer Stelle wärt?“
Diese Bemerkung schien der Zauberin unangenehm zu sein. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, ließ eine Kaugummiblase zerplatzen und vergrub ihre Hände noch tiefer in den Taschen.
„Aber selbst wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich am Ende nicht so aussehen.“ Sie
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