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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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Silberwindeln. »Aufhören, aufhören!«, rief ich. »Ich kann nicht aufhören, ich muss pressen!«, schrie Jaqueline verzweifelt. »Dich meine ich gar nicht, press weiter, ich meine Lars, diesen Blödmannsgehilfen.« Für einen Moment verließ ich Jaquelines Seite, griff in dem Chaos eine sterile Auflage und platzierte sie zwischen den Beinen der werdenden Mutter. »Das Kind soll ja schließlich weich und sauber landen«, erklärte ich mein Handeln. Das Kind würde das Licht der Welt in meinem Rettungswagen erblicken, diese Tatsache war nicht mehr anzuzweifeln. Ich wurde leicht nervös. Für einen Moment schoss es mir durch den Kopf: Einfach wieder reindrücken! Noch während dieses schwachsinnigen Gedankens holte Jaqueline ein letztes Mal tief Luft, schrie, presste, das Köpfchen war draußen, presste noch mal, und in einem Rutsch kam der restliche Körper, von Käseschmiere bedeckt, herausgeflutscht. Ein Augenblick der Ruhe. »Wäääääähhhhhhhhh!« Es war ein Junge, er schrie, und alles war gut. Wer schreit, atmet. Zwei Arme, zwei Beine, alles dran - Gott sei Dank! Da stand ich nun, der supercoole Rettungsassistent, der schon alles gesehen hat und den nichts mehr schocken kann. In mir breiteten sich Wellen eines Gefühlschaos aus, ein Tsunami aus Rührung und Erleichterung, ich lachte und weinte gleichzeitig. Tränen liefen mir über die Wangen, meine erste Geburt im Rettungswagen! Tage zuvor hatte ich noch als Dozent in einem Sanitäterkurs locker und entspannt über dieses Thema gesprochen. Mein Schlusssatz hatte gelautet: »Lernen Sie das für die Prüfung, im echten Leben wird kaum jemand von Ihnen dieses Szenario tatsächlich erleben!« Da hatte mir mein Rettungsdienstkarma wohl ein Schnippchen geschlagen. Hein fuhr durch die Einfahrt zur Notfallambulanz, wir hatten das Krankenhaus erreicht. Während ich noch die Nabelklemmen setzte, erklärte ich Jaqueline, dass augenscheinlich alles in bester Ordnung sei. Die frischgebackene Mama lehnte sich erleichtert zurück und bat Lars, ihr die Schwangerschaftstasche zu reichen. Im Chaos, das im Rettungswagen entstanden war, griff ich eine Silberwindel und begann, das Kind darin einzupacken. »Damit der Kleine es lecker, lecker schön warm hat, tuzi tuzi tuzi!«, erklärte ich Jaqueline mit völlig alberner Kinderstimme und legte ihr das Kind auf die Brust. »Danke schön!«, sagte Jaqueline gar nicht mehr patzig, mit einem seligen Gesichtsausdruck. Die Seitentür des RTW flog auf, Hein und das Kreißsaalteam stürmten herein. Kurz wurde es noch einmal hektisch, bis klar war, dass wirklich alles in Ordnung war und Jaqueline samt Sohnemann an das Klinikpersonal übergeben werden konnten. Wir beseitigten das Schlachtfeld im Patientenraum und machten uns auf den Heimweg. Hein dankte ich für seine vorausschauende Fahrweise und Übersicht im Straßenverkehr, beim Praktikanten entschuldigte ich mich für die zeitweise unsanfte Ansprache während des Lernprozesses, und mir selbst gestand ich ein, dass ich die Hosen voll gehabt hatte. Noch Stunden später empfand ich die Leichtigkeit des Seins und philosophierte über das Wunder der Geburt und das Geschenk des Lebens. Es gab vielleicht einen Punkt, an dem ich meine Umwelt mit dem Thema nervte, aber da kann ich mich auch irren. Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, Kinder will ich immer noch keine, aber wie sagte doch die Witwe von Elvis, Priscilla Presley, in einem Werbespot so passend: »A single moment can change your life!«

19. Gesundheitsrisiken im Rotlichtmilljöh
    Bewusstlos im Puff

    Humor ist die Fähigkeit, an den Auswüchsen der menschlichen Natur Gefallen zu finden. William Somerset Maugham

    E s war 21:02 Uhr, als der akustische Alarm ertönte, zeitgleich das Licht im Raum automatisch eingeschaltet wurde und anschließend die nuschelnde Stimme eines Leitstellendisponenten aus dem Lautsprecher in der Wand folgenden Text von sich gab: »Einsatz für den Rettungswagen - hilflose Person in der Wohnung - Hochstraße 471, ohne Namen.« Damit auch keine Information verloren ging, wurde diese Ansage wiederholt, und für mich als Besatzungsmitglied dieses Rettungswagens stand fest: Mit der abendlichen Ruhe war es nun vorbei. Auf dem Weg von meinem Ruheraum zum Fahrzeug begann das gewohnte Kopfkino: Hinter dem schmeichelhaften Begriff »hilflose Person« verbirgt sich ein breites Spektrum an Unappetitlichkeiten. Da wäre der alkoholisierte Mitbürger ohne festen Wohnsitz, der seinerseits wiederum zum Wohnsitz für

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