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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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Hurra - Heureka - Wir waren tatsächlich in einem Puff. Alles andere hätte für den Patienten auch fatale Folgen gehabt. Wären wir in einer gewöhnlichen Einsatzstelle gelandet, wäre dem Patienten nach einem Vortrag über Kosten im Gesundheitswesen und Simulanten schnell klar geworden, dass ich seinem Krankheitsbild - ganz egal welchem - völlig unmotiviert gegenüberstand. So ist das mit enttäuschten Erwartungen. Spaß beiseite, hier war ja alles gut, wir waren in einem Puff! Wir wussten nur noch nicht, wer unser Patient sein würde. Doch zunächst betraten wir das Etablissement. Ich erwartete eine Mischung aus Moulin Rouge und futuristischem Sexspielzeug, also Kabarettromantik gepaart mit Dildos, Fesselutensilien und Nylonstrapsen. Weit gefehlt. In der Wohnung sah es aus wie bei Lieschen Müller. Ein Eingangsbereich wie in einer verarmten Rechtsanwaltskanzlei mit Designerlederstühlen aus den frühen Neunzigern, ein kleiner Flur, gefliest, mit geschwungenen Spiegeln von IKEA - mehr war zunächst nicht zu erkennen. Es tut mir leid, dieses Klischee bedienen zu müssen, aber uns begrüßte »Chantal«. Ich glaube, dass nahezu alle Prostituierten Decknamen benutzen, was ich auch für sinnvoll halte - welche junge Dame möchte schon beim Metzger angesprochen werden: »Ach, dass wir uns hier wiedertreffen, Frau Schmitz, was haben wir zwei gestern noch nett kostenpflichtig miteinander gefickt, vielleicht noch ne Fleischpeitsche gefällig?« Nein, Decknamen sorgen für Distanz und sind sinnvoll, aber ein bisschen mehr Kreativität darf wohl erwartet werden. Es kann doch nicht sein, dass neunzig Prozent aller Nutten »Chantal« oder »Madeleine« heißen. Na ja, wie dem auch sei, Chantal trug ein kurzes hellblaues Neglige, war geschätzte 27 Jahre alt, hatte gelockte braune Haare, leichte Bindegewebsschwächen im Oberschenkelbereich und einen offensichtlich suboptimalen Body-Mass-Index. »Wir haben im Spiegelzimmer ein kleines Problem mit einem Kunden«, eröffnete uns Chantal mit bronchial belegtem Tonfall. »Bitte folgen Sie mir.« Gesagt, getan. Durch den Flur vorbei an einem durchschnittlich unhygienischen Badezimmer näherten wir uns einer schweren Holztür. Wieder begann mein Kopfkino. Was mochte sich hinter der Tür an sexuellen Tragödien abgespielt haben, die am Ende sogar in einem medizinischen Notfall gegipfelt hatten? Schwellkörperruptur, Hodentorsion, Scheidenkrampf oder ein ausgerissenes Brustwarzenpiercing, Schlaganfall während des Aktes - alles hässliche Dinge, aber für die moderne Medizin behandelbar. Chantal öffnete, ohne sich der Brisanz ihres Handelns bewusst zu sein, wortlos die Tür. Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und erblickte - eine fast nackte eurasische Sexbombe. Wer je an der Existenz des Göttlichen gezweifelt hat, der wäre in diesem Augenblick bekehrt gewesen. Haar, das den Kopf umschmeichelte wie Wind ein Weizenfeld, Haut, so weich wie das Fell von indischen Langohrziegen, Augen wie blaue Bergseen und ein Körper, den da Vincis Pinsel vor Scham sich geweigert hätte zu malen, bekleidet mit einem Hauch von Nichts eines namhaften Herstellers. Ihr Name ist »Vanessa«. Es war Hein, der mich darauf aufmerksam machte, dass sich außer Vanessa und mir noch eine weitere Person im Raum aufhielt. Der Patient. Aus meiner durch den Anblick von Vanessa ausgelösten Paralyse befreit, versuchte ich, gewohnte Einsatzabläufe zu reproduzieren. Ich stammelte: »Was ist denn hier passiert?« Die Frage war berechtigt, schließlich war unser Patient, nennen wir ihn »Klaus«, absolut bewusstlos. Klaus reagierte weder auf unser Erscheinen noch auf meine Frage, was denn passiert sei. Ganz im Gegenteil, Klaus lag etwas unaufgeräumt in demütiger Haltung mit leicht angezogenen Knien auf dem Bauch in einer Spielwiese aus Stofftieren und unzähligen Satinkissen. Klaus war nicht hässlich, aber auch keine Schönheit - Geheimratsecken, leicht hängende Schultern, Bauchansatz und viel zu dünne behaarte Beine waren die offensichtlichen Makel. Hein wiederholte meine Fragestellung: »Was ist denn hier passiert?« Chantal und Vanessa waren sich in ihrer Antwort völlig einig. »Nix«, sagten beide wie aus einem Mund. Hein fragte: »Seit wann liegt der Mann hier so?« Keine Antwort. Sobald man die ausgetretenen Pfade der »normalen« Patienten verlässt, werden die Menschen sehr einsilbig. Fragen Sie doch mal einen stadtbekannten Partylöwen, ob er zwischen seinen Herzschmerzen und dem Kokain in seiner

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