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Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Schauen sie sich mal diese Sauerei an

Titel: Schauen sie sich mal diese Sauerei an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Nießen
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wählen können, aber unsere werdende Mutter legte großen Wert auf ein ansprechendes Ambiente im Kreißsaal, und daher hatte sie schon zu Beginn der Gravidität das »Storchennest« im Kinderkrankenhaus als Ort der Niederkunft erwählt. Unsere innerstädtische Route führte an mindestens drei weiteren geeigneten Kliniken vorbei. In einem Moment geistiger Umnachtung hatte Hein jedoch entschieden, uns den Stadtverkehr zu ersparen und einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen. Statt der ursprünglich geplanten Fahrstrecke wählte er den Autobahnring. Sie ahnen es schon. Das war eine Scheißidee. Es kam, wie es kommen musste, wir waren noch keine zwei Minuten auf der Autobahn, als die Wehen erneut begannen. »Scheiße, tut das weh, aaahhhhh«, stöhnte Jaqueline. Lars brach der Angstschweiß aus. »Was muss ich tun, was muss ich tun?« »Nix, außer ruhig bleiben und auf keinen Fall hektisch werden«, antwortete ich. An Jaqueline gewandt, gab ich mein Bestes: »Ruhig atmen, ganz ruhig, langsam und entspannt atmen.« »Versuch ich ja, du Klugscheißer, aber mach das mal bei den Schmerzen«, war die genervte Antwort. Ich konnte es mir nicht verkneifen: »Ja, ja, Kinder machen ist einfach - Kinder kriegen schon schwieriger, aber so ist das ...« »Ich muss pressen!«, schrie Jaqueline dazwischen. Um unsere werdende Mutter zu beruhigen, erklärte ich: »Nein, du musst nicht pressen, du musst langsam und ruhig atmen!« »Vollidiot! Ich muss pressen!«, schrie Jaqueline mit hochrotem Kopf. Die Situation entspannte sich zu meinem Leidwesen kein bisschen. Jaqueline lag mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Trage, Schweißperlen auf der Stirn, eine äußerst angestrengte Atmung und erste geplatzte Äderchen im Weiß ihrer Augen zeigten ihre Anstrengung. »Ich muss pressen!«, schrie sie wieder aus Leibeskräften. »Nein, nicht pressen, langsam und ruhig atmen!«, wiederholte ich mich. Haben Sie mal mit einer Schwangeren während der Niederkunft diskutiert, ob jetzt gepresst wird oder nicht? Ich kam mir ziemlich bescheuert vor. Genauso gut hätte ich die Sonne bitten können, an dem Abend ausnahmsweise mal nicht unterzugehen. Hein fuhr derweil wie ein Bankräuber auf der Flucht. Ich fragte mich, ob sich die Fahrweise beschleunigend auf die Geburt auswirkte. Andererseits wollte ich so schnell wie möglich im Krankenhaus ankommen. Mittlerweile konnte ich nämlich nicht mehr ausschließen, dass bei unserem neuen Erdenbürger »Bundesautobahn« als Geburtsort im Personalausweis eingetragen werden müsste. Alle möglichen Komplikationen gingen mir durch den Kopf: Nabelschnurvorfall, eingeatmetes Fruchtwasser in der Lunge und vieles mehr, mit meiner Ruhe war es nun vorbei. Schweißgebadet meldete ich uns über Funk im Zielkrankenhaus an: »Beginnende Geburt, Kreißsaalteam bitte zur Notfallambulanz, Eintreffzeit circa sechs Minuten.« »Ruhig Blut, Junge, raus kommen sie alle!«, antwortete krächzend der Lautsprecher in der Wand des Rettungswagens. »Dämlicher Klugscheißer!«, wollte ich gerade in den Funkhörer brüllen, als Jaqueline besonders kraftvoll schrie: »Ich muss pressen!« »Ja, ich weiß!«, brüllte ich genauso kraftvoll zurück. Man konnte die Gesamtsituation mittlerweile durchaus als angespannt bezeichnen. Hein verließ endlich die Autobahn. Noch ungefähr zwei Minuten bis zum Krankenhaus, dachte ich mir und schickte ein Stoßgebet gen Himmel - bitte, bitte, lass uns noch rechtzeitig im Kreißsaal ankommen. »Es kommt, es kommt!«, unterbrach Jaqueline mich fast flüsternd. Ich schlug das Laken zurück, das bisher pietätvoll ihre Scham bedeckt hatte, und sah Haare. Nicht die Haare, die man dort erwarten würde, sondern feine, dünne Härchen, nicht mit Schamhaaren zu verwechseln. Das Köpfchen hatte beschlossen, nicht mehr länger zu warten. »Schnell, gib mir ein steriles Betttuch und eine Silberwindel, pack das Abnabelset aus und schalt die Absaugung ein!«, schnauzte ich unseren Praktikanten an. Jaqueline presste tapfer weiter, und das Köpfchen schob sich ein weiteres Stückchen in die Welt. Lars fand die Silberwindeln nicht und verwandelte bei der Suche nach ihnen unseren Rettungswagen in ein Schlachtfeld. Kennen Sie noch den verrückten Koch aus der Muppet Show ? Zwischen der Stoffpuppe und unserem Praktikanten gab es gewisse Parallelen. Doch statt Küchenmesser und Holzlöffel flogen Dreiecktücher und Mullbinden durch unseren Rettungswagen. Der Kerl leerte jede Schublade auf der Suche nach den geforderten

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