Schauen sie sich mal diese Sauerei an
sogar, wir müssen ...« Seinem Wunsch, den bereits gepackten Koffer für ihn zu tragen, knapp kaschiert in der Aussage »Der Koffer steht in der Diele«, entsprachen wir nicht. Hein und ich waren beschäftigt, per Münzwurf zu entscheiden, wer fährt und wer bei unserem Hauptgewinn hinten im Patientenraum sitzt. In dieser Nacht hatte ich kein Glück ...
18. Sinnlose Diskussion mit einer Schwangeren
Stressiges Fruchtwasser
Wenn eine verzweifelte Situation ein besonderes Können erfordert, dann bringt man dieses Können auch auf obwohl man vorher keine Ahnung davon hatte. Napoleon I. Bonaparte
E s gibt keine hässlichen Schwangeren. In dem Moment, wenn der lustige süße Kugelbauch für die Umwelt erkennbar wird, ist auch der letzte weibliche Trostpreis von einer Aura aus Schönheit und Fruchtbarkeit umgeben. Das hat die Evolution clever gelöst, selbst in Umstandskleidern ohne Form und Schnitt erscheint die Tragende attraktiv. Der Mann ist hilflos. Zur Fortpflanzung verdammt, steht Arterhaltung im Vordergrund, die persönlichen Befindlichkeiten des Mannes müssen zurückstehen. Auch wenn rudimentär erhaltene Schutzreflexe dem Manne sagen: »Du bist in Zukunft nur noch die Nummer zwei, musst aber arbeiten für drei, also hau besser ab!«, so bleibt das Männchen doch beim Weibchen und schaut seiner kommenden Diaspora entgegen. Mann tröstet sich dann mit Sätzen wie dem folgenden: »Kinder sind ja so was Schönes, die geben einem so viel!« Ein Kollege hat diesen Schwachsinn mal auf den Punkt gebracht: »Beim nächsten Mal hol ich mir ne Katze! Die frisst, schläft, schreit und scheißt auch. Zugegeben, für ne Katze bekommst du kein Kindergeld, aber die will später auch nicht Kunstgeschichte oder Sinologie studieren!« Es mag der Eindruck entstehen, ich hätte etwas gegen Schwangere oder Kinder. Das ist falsch, ich besitze lediglich nicht die Arroganz zu glauben, dass ausgerechnet ich mich auf einem völlig überbevölkerten Planeten fortpflanzen muss. Eine gewisse negative Grundhaltung der Thematik gegenüber will ich nicht leugnen, jedoch beruht diese auf negativen Erfahrungen und nicht auf Intoleranz. Lassen Sie mich kurz beschreiben, wie Schwangere mich bereits zu Beginn meiner Ausbildung gedemütigt haben. Die Sanitäterausbildung in Deutschland ist kein Kindergeburtstag. In der Regel hat man keine medizinischen Vorkenntnisse und muss in kurzer Zeit viel Lehrinhalt verarbeiten. Da muss man hier und da auch schon mal auf Lücke lernen. Wir schrieben das Jahr 1995, mündliche Prüfung. »Prüfling, erklären Sie uns den Begriff >Extrauterine Gravidität<«, tönte der Prüfungsvorsitzende. Wahrheitsgemäß antwortete ich: »Joker! Keine Ahnung. Bitte die nächste Frage!« »So schnell geben wir nicht auf! Ist der Patient männlich oder weiblich?«, fragte ein anderer Prüfer. »Keine Ahnung - vielleicht männlich?«, war meine hilflos fragende Antwort. Ich wusste es wirklich nicht. Das schallende Gelächter des gesamten Prüfungsausschusses höre ich noch bis heute. Nur der Vollständigkeit halber: Es handelt sich um jede mögliche Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter, zum Beispiel eine Eileiterschwangerschaft. Zu gynäkologischen Notfällen fehlte mir damals schon jeglicher Zugang. Daran hat sich zwar bis heute nichts geändert, aber das nötige Fachwissen habe ich mir in der Zwischenzeit angeeignet. Gynäkologische Notfälle sind in aller Regel Routine. Hat man erst mal begriffen, dass Schwangerschaft ein Umstand und keine Erkrankung ist, dann ist der Rest kinderleicht. Mit Problemen während der Tragzeit kennen sich die werdenden Mütter eh besser aus, für viele ist es nicht das erste Mal, und so steht der Transport in einen ausgesuchten Kreißsaal meist im Vordergrund. Früher gebaren Frauen die Kinder noch bei der Feldarbeit während eines Hagelschauers, heute gibt es Wassergeburten in temperierten Bassins, bei klassischer Musik und Duftaromatherapie. Die ersten Eindrücke sind ja so wichtig! Klar, dass der Weg ins Krankenhaus dann auch standesgemäß in einem Rettungswagen zurückgelegt werden muss. Jaqueline, 23 Jahre alt, erwartete ihr drittes Kind. Björn, der werdende Vater, hatte leider kein Auto, konnte also den Transport nicht selbst durchführen. Begleiten wollte er den Transport auch nicht, schließlich montierte sich die Wandhalterung des 6o-Zoll-Flachbildfernsehers nicht von allein, und außerdem war er auch schon zweimal dabei gewesen. Man könnte jetzt ein Taxi rufen - Quatsch.
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