Scheibenwelt 01 - Das Meer und kleine Fische
ihn verfolgte. Komisch nur, dass wir nie irgendwelche Pfotenabdriicke gefunden haben. Den Gesichtsausdruck.«
»Für das, was er getan hat, hatte er noch mehr verdient.«
»Ja... klar, du hattest diesen Gesichtsausdruck auch kurz bevor der alte Hoggett grün und blau geprügelt in seinem Schweinestall gefunden wurde und nicht darüber reden wollte.«
»Du meinst den alten Hoggett, der seine Frau geprügelt hat? Oder den alten Hoggett, der nie wieder die Hand gegen eine Frau erheben wird?« fragte Oma. Das, wozu sie die Lippen geschürzt hatte, hätte man ein Lächeln nennen können.
»Und es ist der Gesichtsausdruck, den du hattest, bevor die Lawine auf das Haus des alten Millson herunter ist, als er dich eine alte Schabracke genannt hatte, die sich in Sachen einmischt, die sie nichts angehen...«, sagte Nanny.
Oma zögerte. Nanny war ziemlich sicher, dass das natürliche Ursachen gehabt hatte, und auch, dass Oma von dieser Vermutung wusste und Stolz und Ehrlichkeit in ihr wetteiferten »Das mag so sein«, sagte Oma unverbindlich.
»Wie jemand, der zum Wettstreit gehen und... etwas anstellen könnte«, sagte Nanny.
Der Blick ihrer Freundin hätte die Luft zum Kochen bringen müssen.
»Ach? Das denkst du von mir? Soweit ist es mit uns gekommen, ja?«
»Lätizia denkt, wir sollten mit der Zeit gehen...«
»Und? Ich gehe mit der Zeit. Wir sollten mit der Zeit gehen. Niemand hat gesagt, dass wir ihr einen Schubs geben sollen. Ich nehme an, du möchtest gehen, Gytha. Ich will mit meinen Gedanken allein sein!«
Als Nanny erleichtert nach Hause eilte, drehten sich ihre eigenen Gedanken darum, dass Oma nicht gerade die beste Reklame für die Hexerei war. Oh, sie war eine der Besten, keine Frage. Jedenfalls in einem gewissen Metier. Aber ein Mädchen, das gerade ins Leben trat, konnte sich schon fragen: Ist es das? Man arbeitete hart und versagte sich manches, und was man am Ende bekam, war harte Arbeit und Entsagung? Oma war nicht ganz ohne Freunde, aber überwiegend erntete sie Respekt. Die Leute lernten auch, Gewitterwolken zu respektieren. Sie bewässerten den Boden. Man brauchte sie. Aber sie waren nicht nett.
Nanny Ogg ging mit drei Flanellnachthemden ins Bett, weil bereits scharfe Fröste die Herbstluft mit Stacheln versahen. Außerdem war ihre Geistesverfassung besorgt zu nennen.
Sie wusste, es war eine Art Krieg erklärt worden. Oma konnte schreckliche Dinge tun, wenn sie gereizt wurde, und die Tatsache, dass sie Leuten zustießen, die es nicht anders verdienten, machte sie nicht weniger schrecklich. Nanny Ogg wusste, dass Oma etwas ziemlich Furchtbares plante.
Ihr persönlich gefiel es nicht, etwas zu gewinnen. Gewinnen war eine Gewohnheit, die man nur schwer wieder los wurde, und brachte einem einen gefährlichen Status ein, der schwer zu verteidigen war. Man ging nervös durchs Leben und hielt stets Ausschau nach dem nächsten Mädchen mit einem besseren Besenstiel und einem geschickteren Händchen am Frosch.
Sie wälzte sich unter den Bergen von Eiderdaunen herum. Im Weltbild von Oma Wetterwachs gab es keinen Platz für einen zweiten Platz. Man gewann, oder man war ein Verlierer. Es war nichts Schlimmes daran, ein Verlierer zu sein, davon abgesehen natürlich, dass man nicht der Gewinner war. Nanny hatte sich stets bemüht, eine gute Verliererin zu sein. Die Leute mochten einen, wenn man fast gewann, und spendierten einem Getränke. >Sie hat knapp verloren< war ein viel besseres Kompliment als: >Sie hat knapp gewonnen.<
Wer zweiter wurde, hatte mehr Spaß, sagte sie sich. Aber das war kein Gedanke, für den Oma viel Zeit hatte.
In ihrer eigenen dunklen Hütte saß Oma Wetterwachs und sah zu, wie das Feuer erlosch.
Es war ein Zimmer mit grauen Wänden, die Farbe, die alter Verputz weniger vom Schmutz als vielmehr vom Alter bekommt. Es gab nicht einen einzigen Gegenstand darin, der nicht nützlich gewesen wäre, zweckdienlich und eine Existenzberechtigung hatte. Jede ebene Oberfläche in Nanny Oggs Hütte hatte als Unterbringung für Zierat und Topfpflanzen Verwendung gefunden. Die Leute machten Nanny Ogg Geschenke. Billiger Jahrmarktstinnef, sagte Oma immer dazu. Jedenfalls in der Öffentlichkeit. Was sie insgeheim in ihrem Kopf darüber dachte, sagte sie nie.
Sie wiegte sich sanft, als die letzte Glut erlosch. In den grauen Stunden der Nacht ist der Gedanke, dass die Leute wahrscheinlich nur deshalb zu deiner Beerdigung kommen, um sich zu vergewissern, dass du wirklich tot bist, schwer zu
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