Schenk mir mehr als diese Nacht
schmerzhaft wie an jenem Abend vor zwei Tagen, als ihre komfortable, sichere und heile Welt in tausend Stücke zerbrochen war.
Die Vorstellung, in ihrer Hochzeitsnacht noch Jungfrau zu sein, hatte Aneesa kurz vor der Trauung mit Angst erfüllt. Möglicherweise lag es daran, dass sie zunehmend an ihrer Liebesbeziehung zu Jamal zweifelte. Seine offensichtliche Abneigung vor jedem physischen Kontakt zwischen ihnen irritierte sie mehr, als sie zugeben wollte. Also hatte sie sich in seine Hotelsuite geschlichen, um ihn zu überraschen und vielleicht endlich aus der Reserve zu locken, was die sexuelle Seite ihrer Verbindung betraf.
Doch anstatt ihn beim Studium des Scripts für seine nächste Filmrolle vorzufinden, wie er es ihr angekündigt hatte, überraschte sie ihn im Bett.
Mit seinem Assistenten!
Jetzt, mitten in ihrer Trauung, erkannte Aneesa, dass sie sich immer noch nicht vollständig von dem Schock erholt hatte.
An jenem Abend hatte sie es gerade noch ins angrenzende Bad geschafft, bevor sie sich übergeben musste. Jamals Liebhaber war wie der Blitz von der Bildfläche verschwunden, was ihrem Verlobten die nötige Zeit gab, um sich eine Verteidigungsstrategie zurechtzulegen.
Immer noch sah sie sein glattes hübsches Gesicht vor sich – eine Maske herablassenden Mitleids – als er sie fragte, warum ausgerechnet sie nicht bemerkt haben wollte, was ihre gemeinsamen Freunde schon lange wussten. Daraufhin hätte Aneesa sich fast erneut übergeben, als sie an die abfälligen Blicke zurückdachte, die sie fälschlicherweise für Neid und Eifersucht gehalten hatte.
Damit stand auch fest, dass sie sich keinem ihrer sogenannten Freunde anvertrauen konnte. Welch bittere Erfahrung, um sich eingestehen zu müssen, was für ein hohles, sinnentleertes Leben sie inzwischen führte!
An jenem schrecklichen Abend war ihre Existenz in den Grundfesten erschüttert worden. Und Aneesa hatte sich von der verwöhnten Prinzessin, die alles Gute in ihrem Leben als selbstverständlich erachtet hatte, zu einer erwachsenen jungen Frau verwandelt, die bereit war, der Realität ins Gesicht zu schauen.
Obwohl sie zunächst versuchte, Jamal die ganze Schuld an der unerträglichen Situation aufzubürden, musste sie schließlich doch zugeben, dass ihre geradezu sträfliche Naivität dabei auch eine gewisse Rolle gespielt hatte. Aber was nützte diese Erkenntnis angesichts Jamals kalter Warnung?
„Wenn du auch nur einen Moment glaubst, dich jetzt vor dieser Heirat drücken zu können, irrst du dich gewaltig. Denn eines schwöre ich dir … solltest du vor aller Welt die Wahrheit hinausposaunen, werde ich dich bis aufs Blut bekämpfen. Deine Karriere wäre beendet, und nach dem Skandal würde dich niemand mehr heiraten. Unsere Ehe ist die Garantie dafür, dass man mich gesellschaftlich respektiert, und unsere Kinder werden jeder Mutmaßung in eine andere Richtung für immer das Maul stopfen.“
Aneesa zweifelte keinen Moment daran, dass Jamal meinte, was er sagte. Sie wusste sehr wohl, dass sie in jedem Fall den Kürzeren ziehen würde, wenn sie sich gegen ihn auflehnte. So berühmt und beliebt sie auch sein mochte, er war der größere Star.
Außerdem gab es da noch ihre Familie. Sie war die Erste von ihren Geschwistern, die verheiratet werden sollte, und ihre geliebte Großmutter mit ihren stolzen neunundachtzig Jahren betonte immer wieder aufs Neue, dass sie nicht eher zu ihren Vorfahren aufbrechen würde, bis Aneesa verheiratet wäre.
Dazu kam, dass alle Welt dachte, ihre Familie schwimme in Geld, während allein Aneesa und ihre Mutter wussten, dass dem Seidenhandel, von dem sie bisher sehr luxuriös gelebt hatten, der Konkurs drohte. Dennoch hatte Aneesas Vater darauf bestanden, die Hochzeit seiner Tochter allein auszurichten und ihre finanzielle Unterstützung stolz zurückgewiesen.
Wie hätte sie ihren Eltern von Jamals Doppelleben erzählen können? Sie gehörten der gehobenen Mittelschicht an und waren extrem konservativ. Es hätte sie vernichtet. Respektabel war sozusagen ihr zweiter Familienname.
Aneesa spürte Jamals forschenden Blick wie ein zentnerschweres Gewicht auf sich lasten und konnte sich kaum überwinden, den Kopf nach links zu drehen. Denn dann hätte sie nur wieder den Ausdruck anbetender Liebe auf seinen glatten Zügen gesehen, den er sich im Laufe seiner Filmkarriere antrainiert hatte. Eine Maske, auf die auch sie hereingefallen war, als sie ihren ersten Film zusammen gedreht hatten.
Kein Wunder, dass er
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