Schenk mir mehr als diese Nacht
nehmen.
Seufzend rappelte Aneesa sich auf, trat an den riesigen Spiegel und studierte im sanften Lichtschein ihre aufgelöste Erscheinung. Dann blieb ihr Blick an den Hennaverzierungen hängen, die sie als Braut auswiesen. Plötzlich wünschte sie sich nichts mehr, als sich wieder sauber und rein zu fühlen. Als könnte sie die Kunstfigur Aneesa Adani einfach von sich abwaschen.
Wie in Trance entfernte sie den perlen- und diamantenbesetzten Reif mit dem kostbaren Solitär in der Mitte und legte ihn beiseite. Sie ließ warmes Wasser ins Waschbecken ein und besprengte ihr geschminktes Gesicht damit. Doch Aneesa stellte schnell fest, dass sie die Bemalungen allein mit klarem Wasser nicht wegbekam. Zu dem peinigenden Gefühl von Hilflosigkeit gesellten sich jetzt auch noch Zweifel und Scham darüber, was sie ihrer Familie mit ihrer Flucht angetan hatte.
Ihre armen Eltern! Sie hatten wahrlich Besseres verdient!
Sie waren so stolz darauf gewesen, ihre Tochter als berühmten Filmstar auf der Leinwand und nun auch als ehrbare Ehefrau und Mutter ihrer zukünftigen Enkel zu sehen. Beide hatten sie stets von ganzem Herzen unterstützt, und so dankte sie es ihnen.
Überwältigt von Emotionen schluchzte Aneesa erstickt, während sie sich nach und nach alle Ringe von den Fingern zog und auch die unzähligen Armreife ablegte. Zuletzt löste sie das protzige Collier von ihrem Hals. Ihre anfängliche Verzweiflung wandelte sich nun in Selbstanklage und Ärger über ihre emotionale Schwäche.
Erneut versuchte sie, die Hennaverzierungen an Händen und Armen loszuwerden. Als es an der Tür klopfte, fuhr Aneesa heftig zusammen.
„Alles in Ordnung da drinnen?“, wollte Sebastian wissen.
Sie konnte nicht antworten. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen und mischten sich mit schwarzem Mascara. Gerade wollte sie sich umdrehen, da öffnete Sebastian die Tür, erfasste die Situation auf einen Blick und trat rasch ein.
Wie eine Marionette hielt sie ihm ihre tropfenden Fingerspitzen entgegen. „Ich … ich kann die … die Henntattoos einfach nicht loswerden …“, stammelte sie heiser. „Wissen Sie, was … was das bedeutet?“
Er schüttelte den Kopf.
„Sie … sie sind ein Symbol der Wandlung von jungfräulicher Unschuld zur Ehefrau. Dabei habe ich nicht einmal mehr einen Ehemann, um mich von ihm verführen zu lassen. Jetzt muss ich Wochen um Wochen mit diesen Schandmalen …“
Ihre Stimme verebbte, als Sebastian energisch nach einem Handtuch griff, es kurzerhand ins warme Wasser tauchte und auswrang. Langsam zog er Aneesa zu sich und wischte überraschend behutsam die dunklen Mascara- und Hennastreifen von ihren heißen Wangen. Dabei berührte sein Unterarm flüchtig ihren Oberkörper. Atemlos registrierte Aneesa, wie sich ihre Brustspitzen verhärteten. Als er ihr Gesicht abgewischt hatte, legte Sebastian das feuchte Tuch zur Seite, umfasste ihr glühendes Gesicht mit beiden Händen und strich zärtlich mit den Daumen über die samtweiche Haut.
Wegen des Glitzerns in seinen eisblauen Augen senkte sie den Blick, aber nicht weiter als bis zu dem perfekt geschnittenen Mund. Ihrem behüteten Zuhause und der außergewöhnlichen Stellung als Objekt der Begierde des berühmten Bollywoodstars Jamal Kapoor Khan – auf der Leinwand und privat – verdankte Aneesa das zweifelhafte Glück, noch nie wirklich von einem Mann geküsst worden. Nun aber schlug Sebastians maskuline Ausstrahlung sie in einen Bann, aus dem sie sich nicht befreien konnte – und wollte.
Wie es sich wohl anfühlte, von ihm geküsst zu werden?
„Was haben Sie damit gemeint, dass es Ihrem Verlobten bei der Hochzeit nur um sein eigenes Ansehen geht?“, fragte Sebastian und zerstörte damit den Zauber.
Ohne, dass sie es wollte, rollten zwei dicke Tränen über ihre Wangen, die er mit den Daumen auffing.
„Ich … ich konnte ihn einfach nicht heiraten“, gestand sie stockend. „Es wäre eine betrügerische Lüge gewesen … an mir selbst und an allen anderen. Wenn er sich mit einer Scheinehe zufriedengegeben hätte, hätte ich es aus Liebe und Rücksicht auf meine Eltern vielleicht noch akzeptieren können, aber Jamal bestand darauf, Erben zu zeugen. Und den Gedanken, ein unschuldiges Kind in diese entwürdigende Situation …“ Ihre Stimme brach.
„Was für eine entwürdigende Situation?“, hakte er nach.
Aneesa wollte sich abwenden, doch er legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. Plötzlich konnte sie dem Drang,
Weitere Kostenlose Bücher