Schenk mir nur eine Nacht
hatten, hatte sie verbunden.
Neun Jahre waren sie befreundet gewesen.
Shontelle fühlte sich schuldig, weil die Freundschaft ihretwegen zerbrochen war. Dabei hatte Alan sie davor gewarnt, sich mit Luis einzulassen. Sie hatte jedoch nicht auf ihren Bruder hören wollen. Als Elvira Rosa Martinez ihr schließlich die Augen geöffnet hatte, hatte sie, Shontelle, nur ihren Stolz retten wollen. Dass ihr Entschluss, aus Luis' Leben zu verschwinden, sich auf Alans und Luis' Freundschaft auswirken würde, hatte sie sich nicht überlegt.
Ihr Bruder hatte nicht mit ihr darüber gesprochen. Aber Shontelle hatte zufällig gehört, wie Vicki, Alans Frau, einer Mitarbeiterin erklärte, man sei auf dem Anwesen der Martinez nicht mehr willkommen. Die beliebte Tagestour von Buenos Aires zu der Ranch, die Luis' jüngerem Bruder Patricio gehörte, wurde deshalb aus dem Programm gestrichen.
Als Shontelle ihre Schwägerin darauf ansprach, antwortete Vicki: "Shontelle, hast du wirklich erwartet, Luis Martinez wolle Alan noch mal begegnen? Du und dein Bruder gehört nicht nur zur selben Familie, ihr seht euch auch viel zu ähnlich."
Das stimmte. Alan war zehn Jahre älter als sie, aber es fiel jedem sogleich auf, dass sie Geschwister waren. Sie hatten dieselbe gerade Nase, dieselben hohen Wangenknochen und dasselbe energische Kinn. Alans einst hellblondes Haar war nachgedunkelt und nicht mehr so dicht wie Shontelles, und seine Augen waren braun, während sie grüne Augen hatte. Luis Angel Martinez hatte mit ihrem Bruder nicht mehr befreundet sein wollen, weil er ihn an sie erinnerte.
Um ihren Stolz zu retten, hatte sie Luis in seinem verletzt.
Damals hatte sie geglaubt, es wäre völlig unwichtig. Aber ihr wurde instinktiv klar, dass es plötzlich sehr wichtig war.
"Du hast mit Luis über mich gesprochen", stellte sie fest.
Alan warf ihr einen wehmütigen Blick zu. "Er hat nach dir gefragt."
"Nein, es ging um etwas anderes." Sie runzelte die Stirn und versuchte, sich an Alans Antworten zu erinnern. "Ich will wissen, was los ist."
"Vergiss es!" fuhr er sie ungeduldig an.
"Ich habe ein Recht, es zu erfahren, denn ich bin für die Leute genauso verantwortlich wie du."
Sekundenlang blieb er stehen, während es in seinen Augen zornig und frustriert aufblitzte. "Ich werde nie zulassen, dass meine kleine Schwester sich vor Luis Martinez erniedrigt", stieß er schließlich hervor.
Offenbar hatte Luis an seine Bereitschaft, ihnen einen Bus zu beschaffen, sehr persönliche Bedingungen geknüpft. Auch das ist meine Schuld, dachte sie und atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Es wäre Alan gegenüber nicht fair, einfach nichts zu tun. Außerdem ging es um die Reiseteilnehmer.
"Ich bin nicht mehr deine kleine Schwester, sondern sechsundzwanzig Jahre alt und kann gut auf mich selbst aufpassen", erwiderte sie entschlossen.
"Natürlich! Genau wie vor zwei Jahren, als du mich dazu überredet hast, dich mit Luis allein zu lassen!"
"Das habe ich überwunden. Ich komme mit ihm zurecht", versicherte sie ihm.
"Aber du hast dich doch immer geweigert, noch einmal nach Südamerika zu reisen. Du bist dieses Mal nur mitgeflogen, weil Vicki krank geworden ist. Und in Buenos Aires warst du schrecklich nervös", entgegnete Alan.
"Ich bin mitgekommen, um dir zu helfen. Das ist mein Job."
Sie sprang auf. "Deshalb gehe ich jetzt zu ihm und rede mit ihm."
"Nein, das wirst du nicht tun."
"Luis Martinez ist deine letzte Rettung, Alan. Noch vor zwei Jahren hätte er dir den Bus ohne Wenn und Aber beschafft. Es ist meine Schuld, dass er Bedingungen stellt, und ich werde das Problem lösen."
Und davon ließ Shontelle sich weder durch die
Ausgangssperre noch durch die gefährliche Situation in der Stadt, noch durch die Einwände ihres Bruders abbringen. Zwei Jahre hatte sie sich mit Schuldgefühlen und Erinnerungen herumgequält. Jetzt bestand Luis Martinez darauf, persönlich mit ihr zu reden. Dann musste es eben sein.
Vielleicht war es für irgend etwas gut, und wenn sie nur den Bus bekamen. Sie musste wenigstens versuchen, Alan zu helfen, das war sie ihm schuldig.
3. KAPITEL
Es war leicht gewesen, aus sicherer Entfernung gute Vorsätze zu fassen. Doch als Shontelle vor der Tür zu Luis Angel Martinez' Suite stand, verließ sie der Mut. Sie erbebte.
Ihre Gefühle für ihn hatte sie noch nicht überwunden, und sie bezweifelte, dass sie jemals darüber hinwegkommen würde.
Zögernd klopfte sie an. In den wenigen Sekunden, die ihr noch blieben,
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