Schicksalsmord (German Edition)
zuvor kehrten nur allmählich in mein Bewusstsein zurück. Da ich ziemlich geschwächt war, trafen sie mich mit solcher Wucht, dass es sich unmittelbar auf meinen Zustand auswirkte. Stundenlang weinte ich über Peters sinnlosen Tod und der Gedanke an Lydias Schuld schickte meinen Blutdruck auf eine regelrechte Berg- und Talfahrt. Danach fiel mir mein Gespräch mit Ines Helmchen Stück für Stück wieder ein. Ich begann zu fiebern und fragte immer wieder, ob die Briefe gefunden worden seien. Man gab mir Beruhigungsmittel und die arglose Stationsschwester tätschelte meine Hand: „Nun vergessen Sie mal die Briefe, ihr Freund wird ihnen noch viele andere schreiben.“
Als ich endlich wieder klarer denken konnte, begann ein Plan in mir Gestalt anzunehmen. Ich musste in Lydias Prozess aussagen, musste beschwören, dass die bei dem Unfall verbrannten Briefe existiert hatten. Und ich würde mein Versprechen gegen Ines Helmchen, sie aus allem herauszuhalten, leider nicht einhalten können. Auch sie würde nun zu Lydias Gunsten ihr Schweigen brechen müssen. Vor allem müsste ich so bald wie möglich eine Aussage machen. Meine ersten Andeutungen in diese Richtung lösten bei den Ärzten Kopfschütteln aus. Sie rieten mir dringend zu einer Kur, da ich nicht nur körperlich, sondern auch nervlich sehr angeschlagen sei. Ich brauche dringend Erholung, sonst würde sich meine Genesung verzögern. Davon wollte ich jedoch nichts hören.
Bei der Visite fragte ich die Stationsärztin, ob sie ein Gespräch mit der Polizei vermitteln könne.
„Fühlen Sie sich wirklich stark genug?“ fragte sie. „Dann trifft es sich gut, ein Polizeibeamter möchte Sie nämlich zum Unfallhergang befragen. Er wartet draußen.“
Der Beamte war ein väterlich wirkender, älterer Mann, der sehr behutsam mit mir umging. Inzwischen konnte ich mich wieder an den Unfall erinnern und seine Fragen beantworten. Ich beschrieb die bis auf den Jeep vor mir leere Landstraße, den plötzlichen Wildwechsel, den gleichzeitig auftauchenden Gegenverkehr und das Versagen meiner Bremsen. Er nickte zu jedem Detail, genauso hatten auch die Fahrer der anderen Wagen den Unfallhergang beschrieben.
Für den Nachmittag kündigte er den Besuch von Kollegen an, die den Mordvorwurf gegen meine Schwester bearbeiten würden. Ich war erfreut, dass mein Wunsch nach einem Gespräch so schnell Realität werden sollte und versicherte eilig, es würde mir nicht zu viel werden.
Sie kamen zu zweit. Den Mann kannte ich noch nicht, doch die junge, attraktive Beamtin war die gleiche, die damals Lydia und mich nach unseren Alibis befragt hatte. Dass die Stationsärztin zu meiner Unterstützung ebenfalls im Raum bleiben sollte, empfand ich als übertriebene Rücksichtnahme. Die wie eine Madonna aussehende Beamtin hieß Frau Trostmann und kein Name hätte besser zu ihr passen können. Ihre ganze Gesprächsführung erinnerte eher an eine Therapeutin als an eine Kriminalbeamtin. Das tiefe Bedauern in ihrer Stimme und in ihrem Gesichtsausdruck war vollkommen überzeugend, als sie äußerte, mir leider ein paar sehr unangenehme Mitteilungen machen zu müssen. „Ihr Unfall, Frau Lange“, begann sie behutsam „war weder ihr Verschulden noch ein Zufall. Die Bremsen Ihres Wagens waren manipuliert worden. Wir gehen von einer Straftat aus.“
Ich war irritiert. „Ja, und wer sollte das...“ Ich ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.
„Leider kommt nur ihre Schwester dafür in Frage.“
Jetzt begehrte ich auf. „Lydia ist seit zehn Monaten in Haft. Wie sollte sie sich da an dem Auto zu schaffen machen? Was sie, nebenbei gesagt, auch rein technisch überhaupt nicht gekonnt hätte.“
Frau Trostmann legte ihre kühle Hand sanft auf meinen Arm. „Wir haben das alles sehr gründlich überprüft. Ihre Schwester hatte den Wagen einen Tag vor dessen Tod an ihren Ehemann zurückgegeben. Sie hat ihn selbst in die Garage gefahren und sich dann noch auffällig lange darin aufgehalten. Das hat das Kanzleipersonal übereinstimmend ausgesagt. Sie haben darüber gewitzelt, dass der Abschied von dem BMW für Ihre Schwester wohl sehr schmerzlich sei und daher seine Zeit brauche. Die Schlüssel hat Ihre Schwester danach persönlich an Dr. Tanner übergeben, der sie in seinem Schreibtisch deponierte. Wir gehen davon aus, dass der geplante Anschlag ursprünglich ihm galt. Die technischen Voraussetzungen, ihn auszuführen, hatte Ihre Schwester sehr wohl, sie hat sich in dieser Hinsicht ausführlich
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