Schicksalsmord (German Edition)
von ihrem Liebhaber Maximilian Scholz beraten lassen, wie dieser inzwischen zugegeben hat.“ Frau Trostmann schwieg einen Moment, um mir Zeit zu lassen, das Gehörte zu verarbeiten. Sie holte hörbar tief Luft, bevor sie fortfuhr. „Frau Lange, wir wissen, dass Sie dann schließlich von Ihrer Schwester gedrängt wurden, den Wagen zu fahren. Die Vollzugsbeamtin, die das Gespräch mitgehört hatte, hat uns davon berichtet. Ihre Schwester wollte sie offenbar aus dem Weg räumen.“
Jetzt wurde es entschieden absurd. „Der Wagen hat zehn Monate in der Garage gestanden, jeder hätte...“, setzte ich an.
„Nein, niemand hätte etwas daran verändern können“, widersprach die Beamtin entschieden. „Dr. Tanner hat die Schlüssel am Tage vor seinem Tod in den Schreibtisch gelegt. Am übernächsten Tag wurde die Kanzlei von der Polizei versiegelt. Als es an die Auflösung des Inventars ging, hat Frau Edelburg Tanner die Räume in Anwesenheit eines Notars betreten, da sie keine Komplikationen wünschte. Der Notar hatte die Schlüssel für Wagen und Garage an sich genommen und sie schließlich direkt an den Anwalt Ihrer Schwester weitergegeben. Nur Ihre Schwester kann die Bremsen manipuliert haben, und sie wusste um die Gefahr, als sie Sie drängte, den Wagen zu fahren.“
In meinem Kopf war ein Rauschen und Pochen, das sich einfach nicht vertreiben ließ. „Warum?“ fragte ich mich und versuchte krampfhaft, die Tränen zurückzuhalten. Ich wusste die Antwort, konnte sie nicht verdrängen. Wegen Peter! Weil ich herausgefunden hatte, was damals passiert war. Ich wusste um Lydias subtile Art, Menschen zu bestrafen, die ihr in die Quere kamen. Aber hatte sie mich wirklich umbringen wollen? War ihr denn nicht klar gewesen, dass ich sie niemals verraten hätte? Dass ich trotz allem zu ihr halten würde?
Der Beamtin war meine zitternde Erregung nicht entgangen, voller Besorgnis suchte sie den Blick der Stationsärztin. Ich riss mich augenblicklich zusammen und bedeutete ihr mit einem Kopfnicken, ruhig fortzufahren.
„Frau Lange, es muss sehr schwer für Sie sein, das zu akzeptieren. Sie werden sich vor allem fragen, aus welchem Grunde Ihre Schwester so etwas getan haben sollte. Darauf gibt es leider eine klare Antwort. Sie wollte sich so der Verurteilung wegen Mordes an ihrem Ehemann entziehen. Am Freitag, dem 13. Februar suchte Ihre Schwester Lydia ihren Ehemann nämlich nochmals in der Kanzlei auf. Inzwischen hat sie zugegeben, zum fraglichen Zeitpunkt dort gewesen zu sein.
Verwirrt schaute ich die junge Beamtin an. Wieso sollte Lydia so etwas zugegeben haben? Ich wusste doch, dass sie gar nicht dort war.
Mein Blick wurde wohl falsch gedeutet, denn das Madonnengesicht zeigte noch eine Spur mehr Besorgnis. Sie sprach die folgenden Sätze in einem Ton aus, als wolle sie sich dafür entschuldigen: „Ihre Schwester hat ausgesagt, dass Sie den Mord begangen hätten und gewissermaßen von ihr dabei überrascht worden seien. Sie habe bisher geschwiegen, um sie zu schützen.“
Vom Fenster her ließ sich ein tiefes Stöhnen vernehmen. Die Stationsärztin, die dort über mich wachte griff sich ungläubig an den Kopf und tat einen Schritt auf mich zu, als wolle sie mich beschützen. Ich schaffte es noch abzuwinken, dann ließ ich den Tränen freien Lauf. Ich war froh schon zu liegen, anderenfalls hätte ich mich mit Sicherheit nicht auf den Beinen halten können. Thomas hatte Recht gehabt, als er die Warnung aussprach, Lydia könnte versuchen, mich mit dem Mord an Dietrich zu belasten. Was war ich nur für eine naive Gans, dass ich die Realität nicht sehen wollte? Was würde als nächstes passieren? Wussten die Beamten bereits, dass ich am fraglichen Tag zur Tatzeit tatsächlich in der Kanzlei gewesen war? Wenn nicht, mussten sie dann nicht zwangsläufig irgendwann darauf kommen, so wie Ines Helmchen darauf gekommen war? Spätestens dann, wenn die Blutergüsse und Schwellungen in meinem Gesicht zurückgegangen wären. Der Raum um mich her begann sich beängstigend zusammenzuziehen, das Atmen fiel mir schwer und ich konnte der Beamtin nicht mehr ins Gesicht sehen. Meine Augen waren fest auf die Blumensträuße auf meinem Nachttisch geheftet. Dazwischen stand eine Genesungskarte von meinen Kollegen, auf der sich eine dicke Katze mit verbundener Pfote träge in einer Hängematte räkelte.
„Frau Lange“, fuhr die Beamtin hastig fort „Sie müssen sich nicht aufregen. Gegen Sie besteht nicht der geringste Tatverdacht. Sie
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