Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
aufgesammelt hat. So was wie dich sollte man gleich verrecken lassen oder mit’m Knüppel totschlagen.«
»Seyfried, es reicht.« Kapitän Hinrich war aufgestanden. »Geh!«
Für einen Moment schien es, als wolle Seyfried noch etwas sagen, aber dann drehte er sich um und verließ wortlos die Stube.
»Er hat mich einfach beiseitegeschubst«, empörte sich Marieke, die während der ganzen Zeit erstaunlich still hinter Seyfried gestanden hatte. »Ich wollt ihn ja rauswerfen, aber dem Klotz ist ohne was in den Händen nicht beizukommen.«
»Ja, und die Pfanne hatte Elsa.« Kapitän Hinrich lachte. »Macht nichts, jetzt hat er hoffentlich verstanden, dass er als mein Schwiegersohn nicht erwünscht ist.«
»Nicht nur als dein Schwiegersohn«, sagte Brida. »Ich will ihn überhaupt nicht mehr sehen.«
Ihr Blick fiel auf Erik. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Er hätte das nicht sagen dürfen.«
»So ist das mit Rindviechern, wenn sie erst mal das Sprechen gelernt haben. Für die müsst Ihr Euch doch nicht entschuldigen, Jungfer Brida.« Er lächelte sie an. Obwohl sein Lächeln strahlend war, glaubte sie doch, Schmerz darin zu erkennen.
Ihr Verdacht bestätigte sich beim Abendessen. Die Lebendigkeit, die ihn vor Seyfrieds Besuch noch ausgezeichnet hatte, war wie erloschen. Zunächst dachte sie, er sei einfach müde, aber dann fiel ihr auf, dass er wieder diesen nach innen gerichteten Blick zeigte.
»Was geht Euch durch den Kopf?«, sprach sie ihn unvermittelt an.
»Das Wappen von Vordingborg«, antwortete er. »Einer von Hans’ Rittern trug es, ich habe es sofort erkannt, und seither lässt es mich nicht mehr los.«
»In Vordingborg steht eine der königlichen Burgen«, erklärte Kapitän Hinrich. »Ich habe sie mal von Weitem gesehen, damals, vor dem Krieg.«
Erik antwortete nicht sofort. Stumm starrte er auf seinen Teller, rührte langsam in der Linsensuppe, bis er einen Brocken gebratenen Speck auf dem Löffel hatte.
»Es ist nicht die königliche Burg. Wenn ich an Vordingborg denke, sehe ich einen großen Hof mit Gutshaus und allem, was dazugehört. Und das undeutliche Bild eines alten Mannes.« Er atmete tief durch. »Ich glaube, das ist mein Großvater.«
»Und könnt Ihr Euch an seinen Namen erinnern?«, fragte der Kapitän.
Erik schüttelte den Kopf. »Ich sehe nicht einmal sein Gesicht deutlich vor mir. Es muss ein sehr altes Bild sein, denn ich blicke zu ihm auf.«
»Dann stammt Ihr vielleicht aus Vordingborg«, sagte Brida. Immerhin ein Anhaltspunkt. Zudem war es passend. Vordingborg lag recht dicht bei der Insel Fehmarn. Vermutlich war sein Schiff irgendwo zwischen den dänischen Inseln und dem Fehmarnbelt in Seenot geraten, vielleicht auch nahe dem Sund, aber das erschien ihr wegen der Strömungsverhältnisse unwahrscheinlich. Dann wären die Trümmer wohl eher bei Großenbrode angespült worden.
»Ich werde Claas morgen fragen«, sagte der Kapitän. »Die Mutter seiner Frau war Dänin, er kennt die Namen etlicher einflussreicher dänischer Familien. Vielleicht erinnert Ihr Euch, wenn Ihr einige dieser Namen hört.«
»Da fällt mir noch etwas ein!« Brida sprang vom Stuhl auf. »Ich habe doch noch die aufgeweichten Pergamente. Sie müssen inzwischen trocken sein. Vielleicht ist noch irgendetwas zu entziffern. Ich hole sie gleich mal.« Sie rannte in ihre Kammer. Tatsächlich, die Pergamente waren längst getrocknet, aber hart und brüchig. Nichts erinnerte mehr an die Geschmeidigkeit des kostbaren Materials. Schnell raffte sie die Dokumente zusammen und kehrte in die Stube zurück.
Erik rührte noch immer in seinem Eintopf. Die Begeisterung, die ihren Vater und sie selbst ergriffen hatte, schien nicht auf ihn übergesprungen zu sein. Oder hatte er schlichtweg Angst? Glaubte er womöglich, sie würden ihn festhalten und nur gegen Lösegeld ziehen lassen, sollte sich herausstellen, dass er tatsächlich zu einer einflussreichen dänischen Familie gehörte?
Brida stellte ihre leere Schüssel beiseite und breitete die Pergamente auf dem Esstisch aus. Auch Erik schob seine Schüssel fort, obwohl sie noch halb voll war.
»Fällt Euch irgendwas beim Anblick dieser Dokumente ein?«, fragte sie. Er schüttelte nur den Kopf.
»Na, da hat das Meer ja ganze Arbeit geleistet«, stellte Hinrich fest. »Da ist nix mehr zu lesen.«
»Warte, Vater, hier sind noch ein paar Worte zu erkennen.« Brida zog eines der Pergamente nach vorn.
»Traktaten, Virksomhed, Samling, fireogtyvende Maj«, las sie
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