Schiffsdiebe
erschienen war, wirkte plötzlich unfassbar klein. Und er sank!
Reynolds schoss in die Dunkelheit, aber Nailer konnte nicht erkennen, auf wen. Da bemerkte sie ihn. » Such du Miss Nita!«, schrie sie, während rechts und links Kugeln an ihr vorbeisurrten.
Einer der Halbmenschen der Pole Star zog sich neben ihm aus dem Wasser. Nichts schien sie umbringen zu können. Reynolds richtete seine Pistole auf die Kreatur und schoss ihr in die Brust. Der Halbmensch verschwand in den Fluten. Von den Halbmenschen der Dauntless konnte Nailer keinen Einzigen entdecken. Vielleicht waren Knot, Vine und die anderen bereits tot.
Reynolds Pistole krachte erneut. Sie starrte Nailer wütend an. » Los!«
Nailer zog sein Messer und reichte Reynolds mit zitternder Hand seine Munition, mit der er nun nichts mehr anfangen konnte. Er kraxelte zur nächstgelegenen Luke, betete, dass dort nicht ein Haufen Halbmenschen auf ihn warten würde, und sprang hinein.
Das Grollen des Gewitters wurde leiser. Nailer wischte sich hektisch das Gesicht ab, um besser sehen zu können. Die plötzliche Stille irritierte ihn. Notfall- LED s erleuchteten den Korridor, von den Batterien des Schiffs gespeist. Nailer konnte nicht anders – während er den Gang entlanghastete, kalkulierte er in Gedanken den Schrottwert der Lampen. Er kam an Messingarmaturen und Stahltüren vorbei, und es entging ihm auch nicht, wie leicht er die Leitungen hätte herausreißen können. Der Boden kippte zur Seite hin weg, als das Schiff erneut von den Wellen geschüttelt wurde. Nailer taumelte gegen die Wand.
Konzentrier dich, du Idiot! Du musst Nita finden! Und dann nichts wie raus hier.
In dem rötlichen Halbdunkel des Korridors rührte sich nichts. Über sich hörte er Pistolenschüsse, aber hier unten war es sonderbar still. Nailer lief immer tiefer in das Schiff hinein, wobei er auf das Knarren der Spanten lauschte, auf seine eigenen verstohlenen Schritte und seinen keuchenden Atem. Schließlich hielt er inne, um nach Luft zu schnappen. Hatte er da nicht ein Geräusch gehört?
Nichts.
Er schlich weiter den Gang entlang, das Messer fest umklammert. Er war doch bestimmt nicht alleine hier unten. Nita musste hier irgendwo sein, und sie wurde bestimmt bewacht.
Einmal mehr fragte sich Nailer, wie er sich in eine so gefährliche Situation hatte bringen können. Es war schon unfassbar dumm gewesen, seinen Vater zu verraten, aber in einem sinkenden Schiff herumzustolpern, war wirklich der Gipfel. Wenn er schlau gewesen wäre, hätte er die ganze Sache aufgegeben, als Nita in Orleans verschwunden war. Er hätte schon irgendwo Arbeit gefunden. Er hätte den Mississippi hinauffahren können – irgendwas. Aber stattdessen hatte er sich von der Loyalität mitreißen lassen, die ihre Leute an den Tag legten: Candless und Reynolds, Knot und Vine … und wenn er ehrlich war, hatte ihm das schöne, reiche Mädchen ganz ordentlich den Kopf verdreht.
Gut gemacht, du Held.
Er schüttelte den Kopf. Und jetzt war er wieder am Bright Sands Beach, wo alles angefangen hatte, und steckte tiefer in der Tinte als jemals zuvor. Gleich würde ihm ein Halbmensch eine Kugel in den Kopf jagen, nur weil er glaubte, dass so ein Bonzenmädchen …
Ein Stück den Korridor hinauf bewegte sich etwas. Geräusche. Nailer drückte sich an die Wand. Gedämpfte Rufe hallten den Gang entlang. Er spähte um die nächste Ecke. Dort führte eine Leiter nach unten. Er schlich weiter und reckte den Kopf, lauschte.
» Ich brauch noch eine Dichtung! Nein! Dort drüben! Nicht hier! Dort! Ja, dort!« Die Mannschaft versuchte, den Schaden zu begrenzen und die Fluten daran zu hindern, in das Schiff zu strömen.
Nailer spähte durch das Loch. Der Korridor unter ihm füllte sich mit Wasser. Männer und Frauen wateten darin herum – es reichte ihnen bereits über die Knie. Das Wasser strömte immer schneller aus den Wänden, doch sie hatten noch nicht aufgegeben. Wenn er doch nur eine Pistole gehabt hätte, dann hätte er sie alle erschießen können … Nailer wischte den Gedanken beiseite. Es war verrückt, sich mit Leuten anzulegen, denen er völlig gleichgültig war.
Einer der Männer drehte sich um, und seine Augen weiteten sich. » Hee!«
Nailer zog rasch den Kopf zurück und rannte davon.
» Piraten!«, hallte es durch das Schiff. » Piraten!«
Aber Nailer war schon ein ganzes Stück den Korridor hinunter. Stiefel holperten gerade die Leiter hinauf, als er in eine Kabine schlüpfte und die Tür hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher