Schilf im Sommerwind
Dana jemals unter die Augen gekommen war. Sie hatte seine Einsamkeit gespürt: Seine Mutter war berufstätig, sein Bruder im College, und er blieb den ganzen Sommer sich selbst überlassen. Er vermisste seinen Bruder, so wie Dana Lily vermisst hätte, und deshalb hatte sie ihn kurzerhand in ihren Segelkurs aufgenommen.
»Ich werde es ihnen schon zeigen!«, sagte Sam und sah Dana mit glänzenden Augen an.
»Das ist kein Spiel mehr, sondern Ernst.« Sie erwiderte seinen Blick. »Starker Wind, schnelle Boote, dicht beieinander im Revier.«
»Geh nach Hause, Sam«, forderte ihn Hunter Whitcomb auf. »Ihr anderen auch. Das Rennen entscheidet sich zwischen Ralph und mir.«
»Nimm das Maul nicht so voll, Hunt«, warf Laney Draper ein. »Obwohl ich dir zustimmen muss, dass Sam disqualifiziert werden sollte. Er hat für den Kurs nicht einmal bezahlt.«
»Ich habe ein Stipendium von Dana erhalten.« Sams Lächeln wurde durch einen Anflug von Besorgnis getrübt.
»Ralphs Vater hat schon in seiner Jugend an den Clubregatten teilgenommen, genau wie meiner«, sagte Hunter. »Unsere Mütter auch. Was ist mit deinen Eltern, Sam?«
»Die Söhne von Fischhändlern sind ein bisschen schwer von Begriff«, meinte Ralph.
»Das ist gemein«, empörte sich Lily.
Dana sah, wie die Söhne der beiden reichsten Männer Newports einen Blick geheimen Einverständnisses über den Bug ihrer Boote hinweg tauschten, als Sam aufsprang. Er hätte die vierzehn Fuß lange Blue Jay um ein Haar zum Kentern gebracht und umklammerte den Mast, um das Gleichgewicht zu halten.
»Sie arbeitet in einer Hummerfabrik, aber sie wäre zehn Mal stolzer auf mich, als irgendjemand es auf euch sein könnte«, brüllte Sam mit hochrotem Gesicht und rutschender Brille. »Sie würde platzen vor Stolz. Sie wäre unbändig stolz, ihr dämlichen Snobs. Lass uns segeln, Dana. Ich werde es ihnen zeigen …«
»Lass ihn«, flüsterte Lily kaum hörbar.
Dana hielt seinem Blick stand, wünschte, er würde sich wieder hinsetzen. Er war klein, aber beherzt, und seine Worte hatten ihm Tränen in die Augen getrieben. Er wischte sie weg, wollte nicht, dass die anderen sie sahen.
Danas Herz flog ihm zu. Sie hätte ihn gerne umarmt, aber sie wusste, damit würde alles nur noch schlimmer. Die anderen Crews lachten über ihn, und Jack Devlin, sein eigener Skipper, machte ein Gesicht, als wäre er vor Verlegenheit am liebsten über Bord gesprungen. Der Wind hatte nicht nachgelassen, war aber auch nicht stärker geworden. Lilys Augen funkelten vor Entrüstung und ließen keinen Zweifel daran, wie sie an Danas Stelle entscheiden würde.
»Also gut.« Dana sah Sam an. »Die Regatta findet statt.« Die Kursteilnehmer brachen in Jubelrufe aus, dann gingen sie unverzüglich daran, Segel und Leinen startklar zu machen, alles zum Ablegen vorzubereiten.
»Das ist meine Schwester, wie sie leibt und lebt«, sagte Lily stolz.
»Das ist meine Freundin, wie sie leibt und lebt«, erwiderte Sam strahlend.
»Alles klar bei dir?«
»Und ob! Ich werde euch nicht enttäuschen, Dana, weder meine Mom noch dich. Sie kann sich meine Trophäe auf die Lattenkiste mit dem Fisch stellen, den sie ausnimmt, das verspreche ich.« Seine Wangen waren scharlachrot, während er sich bemühte, einen Schluckauf zu unterdrücken.
»Seid aber trotzdem vorsichtig!«, rief Dana allen in der Flotte zu, vor allem aber Sam, den der herumschwingende Baum beinahe köpfte, als er sich neben Jack duckte. Einige Jungen winkten, aber die meisten hatten ihre Aufmerksamkeit bereits auf die Regatta gerichtet, Sam eingeschlossen.
Während Jack an der Ruderpinne saß, war Sam für den Klüver zuständig. Er war froh, dass er Jack den Rücken zudrehte, weil er sein Gesicht nicht ganz unter Kontrolle hatte. Wangen und Kinn zuckten immer noch von der Anstrengung, die Tränen zu unterdrücken. Nicht nur wegen der Dinge, die Hunter und Ralph über seine Eltern gesagt hatten, sondern weil er auch eine Minute lang befürchtet hatte, Dana könnte auf die beiden hören und ihm die Teilnahme an der Regatta verwehren.
Er hätte es eigentlich besser wissen müssen. Hätte wissen müssen, dass sie das niemals tun würde.
Dana war seine Freundin. Ihre Beziehung war etwas Besonderes. Sam hätte nicht sagen können, woher er das wusste, aber es war so. Sie hatte eine Schwester, er einen Bruder. Seit dem ersten Wort, das sie miteinander gewechselt hatten, war ihre Freundschaft besiegelt gewesen. Er konnte das Wunder immer noch nicht
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