Schimmer (German Edition)
falsche Entscheidungen traf oder weil man wusste, dass man, wenn man noch einmal davorstünde, wahrscheinlich wieder genauso handeln würde. Ich hoffte, dass Gott meine Beweggründe besser verstand als Miss Rosemary.
Bevor Pastor Meeks seiner Frau aus dem Krankenhaus folgte, schüttelte er Momma die Hand. Auch Opa und Rocket schüttelte er die Hand. »Wir werden Sie alle in unsere Gebete einschließen«, sagte er und nickte uns ernst zu.
»Vielen Dank, Pastor Meeks«, sagte Momma und versuchte ein versonnenes Lächeln zu unterdrücken, als sich die Haare des Pastors mit Rockets Elektrizität aufluden und sich kerzengerade aufstellten.
Kaum hatte sich der Pastor zum Gehen gewandt, als Officer Bill Meeks auf uns zukam. »Ihr Kinder macht jetzt keine Dummheiten mehr, klar?« Bevor er ging, schüttelte er jedem von uns die Hand, sogar Gypsy. An der Tür schaute er noch einmal über die Schulter und nickte mir zu, dann folgte er dem Pastor aus dem Krankenhaus. Durch die Glastür sah ich, wie Bill bei Lester und Lill kurz stehen blieb und etwas zu ihnen sagte, dann verabschiedete er sich von Bobbi und Will, die in den Minivan einstiegen. Ich mochte Bill Meeks, und ich war froh, dass Will einmal so werden wollte wie dieser Vater.
Im Heartland-Bibelbus begannen Lesters Schultern zu zucken. Er wollte jetzt los. Lill pustete uns einen Kuss zu und Fish und Samson und ich winkten zurück.
Und jetzt war es endlich Zeit, zu Poppa zu gehen.
35. Kapitel
Im Aufzug in den dritten Stock, wo sich die Intensivstation des Salina Hope Hospital befand, drückte Momma uns alle noch mal und gab uns einen Kuss auf den Kopf.
»Wir haben uns solche Sorgen gemacht.« Mehr brachte sie nicht heraus, ohne dass ihre Stimme kippte. Während Rocket sich um Gypsy und Opa Bomba kümmerte, hakte Momma Fish unter, fasste meine Hand und nahm Samson unter die Fittiche, als könnte sie, wenn sie uns nur nah genug bei sich hatte, verhindern, dass wir wieder verschwanden.
Rocket starrte mich an, als suchte er nach neuen Tupfen oder Streifen auf meiner Haut, von Kopf bis Fuß und wieder zurück. »Wie hat dein Geburtstag dich behandelt, Mibs?«, fragte er schließlich, genau in dem Moment, als die Tür des Aufzugs im dritten Stock aufging. Einen Augenblick standen wir alle nur da. Wir wussten, dass Rocket weder meine Torte noch meine Feier und auch nicht meine Flucht durch das Landesinnere meinte.
Momma sah mich beunruhigt an, als hätte sie über all den anderen Sorgen meinen Schimmer fast vergessen. Die Tür des Aufzugs wollte sich schon wieder schließen, obwohl wir alle noch drin waren, aber ich hielt eine Hand dazwischen.
»Er hat mich gut behandelt, Rocket«, sagte ich, als wäre alles ganz glatt verlaufen. »Ich glaube, ich und die Welt, wir werden meinen Schimmer ganz gut überleben, das heißt, wenn ich mich ein bisschen daran gewöhnt hab.«
Mit einem Blick zu der Schwesternstation gegenüber sagte Momma: »Ich möchte alles wissen. Ich möchte alles über deinen Schimmer erfahren, Mibs«, sagte sie ruhig. »Und alles, was passiert ist, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ihr müsst mir die ganze Geschichte von Anfang bis Ende erzählen – ihr alle.«
»Erst Poppa?«, flüsterte Samson und zog wieder an Mommas Ärmel.
Momma lächelte das traurigste Lächeln, das ich je gesehen hatte. Ihr Lächeln war vollkommen herzzerreißend. Weil sie nichts sagen konnte, nickte sie nur, und ihre unglaublich blauen Augen füllten sich mit Tränen. Wir folgten Momma zur Schwesternstation. Die Krankenschwestern blickten alle von ihrem Kaffee und ihren Tabellen auf und lächelten Momma und Opa und uns Kinder an, als wollten sie sagen: Es tut uns so, so, so leid – es tut uns so leid, dass euer Poppa so schwer verletzt ist.
»Sind das Ihre anderen Kinder, Mrs Beaumont?«, fragte eine Schwester, die einen knallblauen Kittel mit kleinen Regenbogen trug.
»Ja«, sagte Momma. Sie nickte kurz zu Fish und Samson und mir. »Das sind meine drei Ausreißer – meine kleinen Abenteurer.«
»Wir wollten doch nur hierherkommen, Momma«, sagte ich traurig. »Ich musste Poppa einfach sehen. Unbedingt.«
Momma nickte. »Ich weiß, Mibs.« Dann wandte sie sich wieder zu der Schwester und fragte: »Können meine Kinder jetzt ihren Poppa sehen? Wenn sie ihn nicht bald zu sehen kriegen, kann ich nämlich für nichts garantieren.«
»Ja, Mrs Beaumont«, sagte die Schwester mit einem
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