Schiwas feuriger Atem
und stolperte hinaus auf den Kiesweg. Schon konnte er hören, wie die Flut donnernd näherkam. Er rannte zum Strand. Ein Boot, ein Floß, irgend etwas, das schwimmt! Am Leben bleiben!
José raste an Menschen vorbei, die offenen Mundes, mit den Fingern zeigend, dem Donnern entgegenstarrten. Er schlug einen Bogen um ein Touristenpaar und wandte sich nach Osten. Er stolperte und fiel, fluchte, als sein Ellbogen auf das Kopfpflaster schlug und rappelte sich wieder hoch. Er hielt sich den Arm, wagte nicht hinzusehen, rannte weiter.
Lily St. Germain stand an der Brüstung; ihr Modellkleid von Falcone war zerrissen, sie hielt eine Flasche Dom Perignon in der Hand. »Komm ran, du lausiges Miststück!« kreischte sie, hob die Flasche, schleuderte sie in die See und verlor dabei das Gleichgewicht. Stolpernd fiel sie rücklings hin, doch glücklicherweise in ein Nest von Kissen.
Das Donnern war jetzt ohrbetäubend. Sie lag unter der Höhe des Geländers und konnte die haushohe Welle nicht sehen. »Geschieht dir ganz recht, du Bastard!« schrie sie in den Himmel. »Davon kriegt Barcelona auch was ab, du mieser Hurenbock!« Sie zog sich in kniende Stellung hoch und blickte nach Nordwesten. Sie wollte sehen, wie es ihren Ex-Gemahl in Barcelona erwischte, doch die spanische Stadt lag über hundert Meilen entfernt unter dem Horizont.
Aber die Woge sah sie kommen. Sie lachte, ein leeres Lachen mit zusammengepreßten Lippen. Sie würde dem Tod entgegentreten, wie sie im Leben so vielem entgegengetreten war: betrunken.
Die Wasserwand stürzte über der Insel zusammen, begrub sie unter Schaum und zerschmetterte alles Menschenwerk. Als die Wasser endlich abflossen, war die fünfundsechzig Kilometer lange Insel blankgefegt. Nur noch ein paar Felsen und ein paar Stümpfe – vielleicht Beton.
Hoch oben in den Bergen trieb eine Champagnerflasche in einem Teich. Das Etikett war abgeweicht, das Glas zerschrammt. Dann flog der Kork heraus, eine goldgelbe Flüssigkeit sprühte in den Teich, vermischte sich und verschwand. Die Flasche drehte sich, lief voll, versank.
Die Allgemeinheit reagierte erst mit Überraschung, dann mit immer stärkerer Empörung. Die Wissenschaftler hatten doch vorausgesagt, daß es noch Wochen dauern würde, bis es wirklich schlimm kam. Auf diese Tatsache hatte sich die Welt eingestellt, und nun fuhr dieser neue Schlag durch die dünne tröstende Decke, in die die meisten Leute sich und ihre Leben eingewickelt hatten. Die da oben werden schon irgend etwas tun, hatten sie einander versichert; die Regierung wird ihn aufhalten. Jetzt fühlten sie sich irgendwie betrogen. In jedem Parlament wurden ärgerliche Fragen gestellt, ein neuer Ton von Mißvergnügen klang bei den Medienkommentatoren auf, es gab Rücktritte und Amtsniederlegungen zu Hunderten und hitzige Diskussionen an den Straßenecken.
Die technische Erklärung war einfach, aber für die Medien zu umständlich. Man brauchte eine Antwort – eine schnelle, beruhigende Antwort. Offizielle und inoffizielle Sprecher lieferten weitschweifige Kommentare.
In seiner langen Geschichte hatte Schiwa vermutlich in seinem Orbit Fragmente hinterlassen, Steintrauben, die langsam vom Zentrum der Masse abgezogen wurden, der schwachen Gravitationsverlockung von Sonne und Planeten folgend. Ein Teil dieser Himmelsscherben mochte in Schiwas Orbit treiben, doch ihm etwas voraus, mit den gegenwärtigen technischen Mitteln so gut wie unerkennbar.
Die langsame Hinneigung von Schiwas Orbit auf die Ekliptik hatte diese Trümmer in das Schwerefeld der Erde gebracht. Im schwarzsamtenen Meer des Weltraums hatten die Teleskope, die nach Schiwa suchten, diese Stücken vollkommen verfehlt. Sie waren ja schließlich – nach astronomischen Maßstäben – relativ klein.
Dies erklärte ein Sprecher des Griffith-Observatoriums mit dürren Worten vor der CBS-Kamera und löste damit vielerorts blinde Wut aus. Nur ein paar Stunden später brannte eine Bande Teenager unter den Augen der gleichen Kameras das Observatorium völlig nieder.
Aber diese Steine waren nur hors d’oeuvres, Schiwas Samen. Der Große Zerstörer war noch Wochen entfernt.
Abecher im östlichen Tschad, 21.506 Einwohner, verschwand in einem Flammenpfuhl.
Stowall, Mississippi.
Ein winziges Städtchen, Piapoco im weiten Hochland von Columbien, wurde fast direkt getroffen. Es dauerte Wochen, bis jemand auch nur etwas davon erfuhr.
Nancy Darrin, unterwegs von Houston nach Florida, wurde von einer Bande tobender
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