Schlaflos
gesprochen.« Sie zuckte
unwillig die Schultern. »Irgendwelche Geschäfte eben.«
»Dein Vater hat für de Villefort Nachforschungen angestellt.
Er war oft unterwegs, nicht wahr? Er hat in ganz Europa in Bibliotheken,
Klöstern und Universitäten nach Informationen über den Gegenstand der Macht gesucht. Dabei muss ihm gelungen sein, was vor ihm niemand schaffte. Er hat
herausgefunden, wo Drago begraben liegt.«
»Das ist verrückt!« Madeleine schüttelte entschieden den
Kopf.
Armand fuhr unbeeindruckt fort. »Dein Vater hat mehr
gefunden, als er suchte. Genug, um zu verstehen, welche Gefahr es bedeutet,
sollte Bastien diese Macht tatsächlich in die Finger bekommen. Er würde sich
nicht damit zufriedengeben, euer König zu sein. Er würde auch Macht über die
Menschen anstreben. Und er würde die Hände nach der Unterwelt ausstrecken.«
Ihr Instinkt sagte ihr, dass Armand es ernst meinte. Aber das
war sein Albtraum. Sie weigerte sich, sich davon anstecken zu lassen.
»Es waren keine Feinde de Villeforts.«
Madeleine widerstand dem Drang, sich die Ohren zuzuhalten.
Sie wollte das nicht hören, konnte den Gedanken nicht zulassen.
Sich mit Bastien einzulassen war unüberlegt und falsch
gewesen. Sie hatte damals schon gewusst, wie besitzergreifend und
herrschsüchtig dieser Mann war. Naiv, wie sie war, hatte ihr seine
gebieterische Art sogar imponiert. Sie ließ sich von der romantischen
Vorstellung, dass er ihr Retter war, blenden.
Die Bilder in ihrem Kopf überschlugen sich. Die meisten
blieben verschwommen und brachten nur vages Unbehagen mit sich. Doch ein paar
stachen aus dem Wust hervor und zeigten mit Übelkeit erregender Deutlichkeit
den Tod der Menschen, die sie vor langer Zeit geliebt hatte.
»Bastien hat den Tod deines Vaters angeordnet. Deine Mutter
und deine Schwestern mussten sterben, um sicherzustellen, dass niemand das
Geheimnis ausplaudern konnte.«
»Und warum lebe ich dann noch?« In ihrem Schmerz schrie
Madeleine ihn an. Ihre Augen brannten. Sie hatte nicht geweint, seit jener
Nacht. Und sie würde es heute nicht vor diesem Fremden tun.
»Er musste verhindern, dass jemand anders den Weg zu Dragos
Grab findet. Aber er wollte diese kostbare Information natürlich nicht
vollständig verlieren. Aus irgendeinem Grund muss er glauben, dass du weißt, wo
der Gegenstand versteckt wurde. Vielleicht wusstet ihr es auch alle und du
warst einfach die Hübscheste.«
»Jung und dumm«, flüsterte Madeleine. Eisige Schauder liefen
ihr Rückgrat hinunter.
Aber nein!
Das waren bloße Behauptungen. Es gab keinen vernünftigen
Grund zu glauben, dass sie nur Stunden, nachdem ihre Familie getötet worden
war, mit dem Mörder das Bett geteilt hatte!
Galle stieg in ihrer Kehle auf.
Sie verbannte diese Vorstellung in den hintersten,
finstersten Winkel ihres Verstandes und warf die Tür dahinter zu, stellte sich
vor, wie sich Mauern darum errichteten.
»Ich brauche deine Hilfe.« Im Sessel vorgebeugt fixierte
Armand sie, als wollte er sie hypnotisieren. Doch sie war keine Sterbliche. So
leicht war sie nicht zu beeinflussen.
»Du musst dich erinnern! Ich kenne einen Weg, wie das
bewerkstelligt werden kann. Dann werde ich Dragos Grab finden und das Artefakt
den Erzengeln zurückbringen. Damit sind de Villeforts Allmachtsfantasien ein
für alle Mal beendet. Es wird ihn aus der Reserve locken.« Er grinste. »So dumm
bin ich nicht, sein Schloss angreifen zu wollen. Außerdem wird die Gefahr, die
von dem Artefakt ausgeht, endgültig gebannt!«
Ja, dachte Madeleine. Und aus Armand könnte vielleicht sogar
wieder Aurelius werden. Es hieß zwar, die Erzengel seien unversöhnlich. Aber es
kam gewiss nicht oft vor, dass ihnen ein solcher Dienst erwiesen wurde.
»Warum sollte ich dir helfen?«
»Für deine Familie. Und für dich selbst.«
Sie stand auf. Womöglich hatte er sich diesen Albtraum
ausgedacht, um ihre Unterstützung zu erlangen. Auf keinen Fall wollte sie sich
vor seinen Karren spannen lassen.
»Geh jetzt!«, forderte sie. Sie wusste, sie sprach mit einem
Wesen, das die Macht besaß, sie mit dem linken Zeigefinger zu töten. Und er
wusste das erst recht. Aber ihre Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Sie meinte
es ernst.
»Ja.« Er erhob sich ebenfalls. »Es ist spät. Du brauchst
Zeit, um nachzudenken.«
Sie schüttelte den Kopf, dass ihre dunklen Locken flogen. Als
Geschöpf der Dunkelheit spürte Madeleine deutlich, dass die Sonne bereits
hinter dem Horizont versank.
»Ich kann dir nicht
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