Süße Rache: Roman (German Edition)
1
New York City
»Exzellente Arbeit«, schmeichelte Rafael Salinas honigsüß dem Killer, der am anderen Ende des Raumes neben der Tür stand. Entweder scheute der Mann menschliche Nähe, oder er traute Salinas nicht über den Weg und wollte sich einen Fluchtweg offenhalten, falls das Treffen nicht wie gewünscht verlief – was nur klug war. Menschen, die sich vor Salinas in Acht nahmen, lebten länger als jene, die ihm vertrauten. Drea Rousseau, die sich katzengleich an Salinas schmiegte, interessierte sich nicht für die Beweggründe des Auftragskillers, solange er Distanz hielt.
Seine Marotte, so gut wie nie zu blinzeln, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Sie war ihm erst einmal begegnet, damals hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass er lieber auf ihre Anwesenheit verzichtet hätte. Er hatte seinen starren Blick so lang auf sie gerichtet, dass sie sich zu fragen begann, ob er es sich zum Prinzip gemacht hatte, jeden zu eliminieren, der ihn identifizieren konnte – abgesehen natürlich von den Leuten, die ihn bezahlten. Vielleicht hatte er es auch auf die abgesehen, nachdem das Geld ausgehändigt oder überwiesen war oder wie auch immer ein Mörder sein Honorar kassierte. Sie hatte keine Ahnung, wie er hieß, und wollte es auch gar nicht wissen, weil die Wahrheit, die angeblich so befreiend wirkte, in diesem Fall tödlich sein konnte. In Gedanken bezeichnete
sie ihn als Rafaels Killer, dabei gehörte er streng genommen nicht zu Rafaels Stammcrew; er arbeitete freiberuflich und für jeden, der sich seine Dienste leisten konnte. Inzwischen hatte Rafael, soweit sie wusste, mindestens zweimal das geforderte Honorar entrichtet.
Um ihn nicht anzusehen und am Ende festzustellen, dass dieser zermürbende Blick schon wieder auf ihr lag, begutachtete sie unglücklich den magentafarbenen Lack auf ihren Fußnägeln. Sie hatte ihn erst an diesem Morgen aufgetragen, weil sie gehofft hatte, dass er einen interessanten Kontrast zu dem cremeweißen Lounge-Outfit aus Seide bilden würde, das sie heute trug, doch der violette Grundton wirkte zu grell. Sie hätte bei Perlmuttrosa bleiben sollen, einer delikaten, fast transparenten Farbnote, die das Outfit unterstrichen hätte, statt sich davon abzuheben. Na gut, probieren geht über studieren.
Als der Killer stumm blieb, statt Rafael eilig zu versichern, dass er sich geehrt fühlte, für ihn arbeiten zu dürfen, begannen Rafaels Finger ungeduldig auf seinen Schenkel zu trommeln. Es war eine nervöse Angewohnheit, wenn er sich nicht wohlfühlte, eine verräterische kleine Geste, jedenfalls für Drea. Sie hatte jede seiner Launen, alle seine Angewohnheiten intensiv studiert. Er hatte nicht direkt Angst, aber auch er misstraute seinem Gegenüber, und das bedeutete, dass sich zwei kluge Männer im Raum befanden.
»Ich würde dir gern einen Bonus anbieten«, sagte Rafael. »Hunderttausend extra. Wie hört sich das an?«
Drea sah nicht auf, obwohl sie das Angebot blitzschnell verarbeitet hatte und genau wusste, was es bedeutete. Sie gab sich außerordentliche Mühe, nie auch nur das geringste Interesse an Rafaels Geschäften zu zeigen: wenn er ihr gelegentlich eine beiläufige, aber suggestive Frage stellte,
tat sie regelmäßig so, als hätte sie keine Ahnung, was er damit meinte. Infolgedessen war Rafael in ihrer Gegenwart nicht ganz so vorsichtig, wie er es sonst vielleicht gewesen wäre. Soweit er erkennen konnte, interessierte sie sich ausschließlich für sich selbst, und in gewisser Weise stimmte das auch, nur nicht so, wie Rafael annahm. Er ging davon aus, dass es ihr gleich war, wen der Killer für ihn getötet hatte, dass ihr nur wichtig war, was sie gerade trug, wie ihr Haar aussah, wie sie Rafael schmücken konnte, indem sie sich so sexy und glamourös wie nur möglich herausputzte.
Daran lag ihr tatsächlich viel; denn wenn Rafael in den Augen seiner Umgebung gut aussah, wurde er weitherzig, schon fast freigiebig. Drea studierte das Fußkettchen aus Platin um ihren rechten Knöchel und freute sich daran, wie der angehängte Diamant im Sonnenschein glitzerte und das Platin auf ihrer braun gebrannten Haut strahlte. Das Kettchen hatte ihr Rafael geschenkt, als er sich über etwas gefreut hatte. Sie hoffte, dass ihn die Freude über den Erfolg seines Killers ähnlich spendabel machen würde; sie hätte nichts gegen ein dazu passendes Armkettchen einzuwenden – nicht dass sie das je angedeutet hätte. Sie war darauf bedacht, Rafael nie um etwas zu
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