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Schlaflos

Schlaflos

Titel: Schlaflos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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helfen. Und ich glaube dir nicht.«
    Unter anderen Umständen hätte sie nicht gewagt, einen Engel
der Lüge zu bezichtigen. Es hieß sogar, den Himmlischen sei Lüge fremd. Was
dann wohl bedeutete, dass er zumindest selbst an das glaubte, was er sagte.
    »Ich gehe. Aber wir werden uns wiedersehen. Das ist
unvermeidlich.«
    Sie stand noch immer stocksteif da, als die Eingangstür
hinter ihm ins Schloss fiel.
     

04
    Madeleine saß in einer schwer einsehbaren Ecke des Gartens im
Gras. Sobald die Sonne versunken war, floh sie aus der Wohnung, die sich nun weniger
wie eine Zuflucht und mehr wie ein Gefängnis anfühlte. Bedrückend und
klaustrophobisch, wie das Gefängnis, in das Bastien sie gesteckt hatte.
    Zuerst tarnte er es als Fürsorge. Sie hatte Schreckliches
erlebt. Und sie musste lernen, wie sie sich ernähren und ihre Natur vor den
Sterblichen verbergen konnte. Irgendwann fühlte Madeleine sich erholt und
fähig, auf sich selbst aufzupassen. Sie begann, ihre Freiheit einzufordern.
Bastien zeigte sein wahres Gesicht. Als seine Überredungskünste nicht länger fruchteten,
griff er zu Riegeln und Gitterstäben. Die Räumlichkeiten, in die er sie
einsperrte, waren edel ausgestattet. Nichtsdestotrotz waren sie verschlossen -
und sie im wahrsten Sinne eine Gefangene im goldenen Käfig.
    Sie nutzte die erste Gelegenheit zur Flucht. Er gab sich
immer weniger Mühe, sein Temperament zu zügeln. Ihre Schwärmerei war längst
verflogen. Sie fürchtete, er könnte sie im Kerker einsperren. Von dort war noch
nie jemand entkommen.
    Sie hatte so viel Energie darauf verwandt, die Erinnerungen
wegzusperren. Armands Auftauchen hatte genügt, um ihr das bisschen hart
erarbeiteten Friedens zu nehmen und es als Selbsttäuschung zu entlarven. Sie
war seit Jahrzehnten auf der Flucht, rechnete täglich und stündlich damit,
erneut alle Brücken hinter sich abbrechen zu müssen. Dabei hatte sie noch nicht
mal den Verlust ihrer Familie verarbeitet.
    Sie saß still da, lauschte dem Summen nachtaktiver Insekten,
dem Gluckern des kleinen Baches, der hinter dem Garten, am Feldrand floss und
den Stimmen der Menschen in der Nachbarschaft. Die leisesten Geräusche
erreichten ihr Ohr. Auch ihre Augen schärften sich, während das Licht im Westen
verblasste.
    Hier, allein in der Dämmerung, gestand sie sich ein, was der
gefallene Engel ihr anbot. Ein Ende ihrer Flucht, die Chance, ein eigenes Leben
zu führen. Aber der Preis dafür schien hoch. Sie musste sich den Dämonen der
Vergangenheit stellen, Dingen ins Auge sehen, die sie zerstören konnten.
    Seit fünfzig Jahren war sie auf der Flucht. Wenn sie Armands
Angebot ablehnte, änderte sich nur eines: Von heute an liefe sie nicht mehr vor
Bastien, sondern vor ihren eigenen Ängsten davon.
    War das so? Oder flüchtete sie nur in eine neue Abhängigkeit?
Wünschte sie sich nur jemanden, der ihr die Last der Verantwortung abnahm?
Auch für einen gefallenen Engel würde es nicht leicht sein, gegen Bastien
anzukommen.
Ein gefallener Engel!
Und wenn schon.
Sie kannte diesen Typ Mann. Arrogant und herrschsüchtig!
Tatsächlich erinnerte sein Auftreten sie an Bastien. Auch von ihm hatte sie
sich Schutz erhofft.
Was für eine Ironie!
    Sie schnaubte ärgerlich, als sie sich dabei ertappte, wie sie
an seine kühlen Augen dachte und an die Macht, die er selbstbewusst
ausstrahlte. Sie kannte ihren fatalen Hang, auf solche Männer hereinzufallen.
Zuerst waren sie beschützend und großzügig. Bis frau in der Falle saß. Umso
wichtiger, dass sie sich von der Versuchung fernhielt.
    Madeleine legte seufzend das Gesicht in ihre Hände. Heute war
alles zu viel! Die entsetzliche Anstrengung, einen endlosen, sonnendurchglühten
Tag hindurch den Anschein der Normalität zu wahren. Die Erinnerungen, mit denen
Armand ihre Gedanken infizierte. Und es war so lange her, dass sie zuletzt
getrunken hatte!
    Seit Wochen hielt sie ihren Durst in Schach. Nicht wegen der
Sterblichen um sie herum. Vor denen fürchtete sie sich nicht. Nicht, nachdem
die Sonne untergegangen war. Doch jeder nächtliche Ausflug, jeder Einsatz ihrer
Kräfte, brachte die Gefahr der Entdeckung mit sich.
    Alle, die schlaflos waren, spürten es, wenn einer der ihren
sich näherte. Wie Bastiens Schergen es fertigbrachten, speziell sie zu finden,
wusste sie nicht. Vielleicht lag es daran, dass sie vom selben Meister
geschaffen waren. Umgekehrt war Madeleine nicht in der Lage, Bastiens
Handlanger rechtzeitig aufzuspüren. Es musste ein Trick dabei sein,

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