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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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bin krank. Grippe.«
    »Ach ja«, sagte Frau Ringel schnippisch. »Ihr Freund stirbt, und Sie haben den Schnupfen.«
    Mein Kreislauf schien auszusetzen, und all meine Schmerzen waren wieder da.
    »Wo ist er?«
    Frau Ringel lachte sarkastisch.
    »Sie brauchen sich keine Mühe mehr zu geben. Er ist tot.«
    Ich fragte sie, wie Arne gestorben sei.
    »Allein«, sagte sie.
    Er starb in dem Krankenhaus, in dem ich damals arbeitete, vielleicht sogar am gleichen grassierenden Erreger, der mich niedergestreckt hatte. Als er die Ziellinie seines Lebens überquerte, wog er 60 Kilogramm.

ANJA,
    Zusammenfassung einer Tonbandaufzeichnung, Montag, 26. Januar 2009
    Dies wird unser letztes Gespräch über Arne sein, Herr Müller. Wir sind fertig mit der Geschichte. Es ist Ihre Sache, wie Sie mich sehen. Ich nehme an, Sie haben sich Ihr eigenes Bild von mir gemacht, und das ist in Ordnung so. Sie werden es mir vielleicht nicht glauben, aber trotz aller Zweifel bin ich der Meinung, dass ich Ihnen eine Liebesgeschichte erzählt habe. Dass ich Arne geliebt habe und er mich. Ja, er mich, auch wenn es nicht so wirken mag. Heute sehe ich das so. Oder, vielleicht sollte ich sagen: Heute leiste ich mir den Luxus, es so zu sehen. Ich habe schließlich den Beweis dafür: Die Ansichtskarte, die er mir einst aus dem Norden geschrieben hat, und auf der stand, dass ich ihm gefehlt habe.
    Und die Lederjacke. Ich weiß natürlich, dass er sie mir nicht geschenkt hat. Er hat sie im Krankenhaus liegen gelassen, und die Putzfrau hat sie mir gegeben. Aber er hat sie nicht zurück gewollt. Ich habe damals bei seiner alten Nummer angerufen. Komischerweise nahm seine Nachbarin den Hörer ab. Sie tat so, als wäre sie seine Vertraute, und sagte, er wolle niemanden sehen. Aber sie wollte ihn fragen, ob ich ihm die Jacke schicken sollte, und wohin. Danach hörte ich nichts mehr. Niemand soll sagen, ich machte mir etwas vor. Die Welt ist voller solcher Zeichen.
    Ich steckte die Jacke in eine Plastiktüte und legte sie in meinen Schlafzimmerschrank, in das Fach, wo ich meine Handtaschen aufbewahrte. Von seinem Tod erfuhr ich aus der Tageszeitung, es war Samstag, ich saß beim Frühstück, Hubertus war joggen gegangen. Ich legte die Zeitung weg, räumte das Geschirr in die Spülmaschine und ging hinauf. Ich holte die Tüte ausdem Schrank und zog die Jacke hervor, packte sie mit beiden Händen, hielt sie an meine Nase und nahm einen tiefen Atemzug. Der Geruch nach altem Leder trieb mir endlich die Tränen in die Augen. Ich hatte vergessen, wie abgewetzt sie gewesen war. An den Ellbogen, wo das Leder doppelt genäht war, hatte die schwarze Oberschicht Risse bekommen wie ein altes Ölgemälde, und man sah das hellere Innenleder.
    Ich schloss den vorderen Reißverschluss der Jacke bis oben, legte sie mit ausgebreiteten Ärmeln auf das Fußende meines noch nicht gemachten Betts. Ich trat einen Schritt zurück und sah die Jacke an. Es war, als hätte ich am Tag nach seinem Tod Besuch bekommen von Arnes Schatten, der sich nun endgültig selbständig gemacht hatte. Die Jacke bildete die Form von Arnes Oberkörper ab wie eine Rüstung. Nicht die des elenden, mageren Arne, sondern seinen Körper von damals, als seine Muskeln glatt und massig waren und die Falten des Leders auseinanderzogen. Die Krümmung der Arme, der Zug auf den Gurten, die ihr die Taillenform gaben, die abgewetzten Enden der Ärmel und die scharfen Falten im Kragen – all das erschien mir wie ein Echo seiner Körpersprache. Ich wusste plötzlich, dass es trotz all meiner Eitelkeit und meines Geltungsdrangs, trotz all seiner seelischen Isolation eine Verbindung zwischen mir und Arne gegeben hatte, die unabhängig war von Worten und Taten.
    Plötzlich hörte ich einen Schlüssel unten an der Haustür. Hubertus kam wieder. Hastig faltete ich die Jacke zusammen und schob sie zurück in die Tüte, und die Tüte wieder in den Schrank. Bei all meinen Umzügen habe ich sie mitgenommen, all die Jahre, immer zusammen mit den Handtaschen. Ich besaß die Jacke, ohne noch einmal darüber nachzudenken. Bis vor kurzem jedenfalls.
     
    Ich werde Ihnen etwas gestehen: Ich habe Ali wieder getroffen. Vor ein paar Tagen habe ich darum die Lederjacke herausgeholt. Und angezogen, mit einem dicken Pullover darunter, und bin nach Berlin gefahren, um Ali wiederzusehen. Sie lag schwerer auf meinen Schultern, als ich erwartet hatte, und die Ärmel fielen weit über meine Hände, obwohl ich sie mit viel Kraftaufwand ein Stück

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