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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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um mich her verblasste, Arnes Rücken wurde unscharf, löste sich flimmernd an den Rändern auf, ich schreckte hoch und spürte ein Brennen im Hals, eine schwellende Mischung aus Entzündung und verschluckten Tränen.
    Plötzlich war ich wieder wach und fühlte mein Herz klopfen. Erschrocken stellte ich fest, dass ich nicht mehr wusste, wo ich meinen Videofilm von unserem Olympiasieg hingeräumt hatte. Ich wollte ihn mir noch einmal ansehen, um mich zu vergewissern, dass wir damals wirklich losgefahren waren. Dass der Sieg real und unser Gold echt war.
    Ich sagte mir, spiel nicht verrückt, wenn etwas feststeht in dieser Welt, dann unser Sieg. Er war unverrückbarer Teil meiner Innenausstattung, einer der stabilsten Haltegriffe für mein Ego. Ich wusste, dass es wahr war. Aber ich fühlte es plötzlich nicht mehr.
    Arne hatte uns den schönsten Moment unseres Lebens gegeben. Und er hatte ihn uns wieder weggenommen.
    Ich rief nach Katja, und als sie sich auf meine Bettkante setzte, griff ich nach ihrer Hand, zum ersten Mal mit solcher Bedürftigkeit.
    »Ohne Arne gäbe es den Ali von heute nicht«, sagte ich.
    Und ich fragte sie:
    »Glaubst du, dass es ohne mich auch den Arne von heute nicht gäbe? Und wenn ja: Was bedeutet das? Ich finde nicht heraus, wer hier wen um Verzeihung bitten muss. Er hat mich um meine beste Erinnerung gebracht. Seinetwegen kann ich nicht mehr an unseren Achter denken, ohne mich schlecht zu fühlen.«
    Ich sagte Katja, ich hätte Arne aus dem Rennen und sein Leben aus der Bahn geworfen.
    Katja schüttelte den Kopf.
    »Es ist umgekehrt.« Sie strich mit der freien Hand meine Bettdecke glatt. »Hör auf zu grübeln.«
    Wahrscheinlich hat sie recht. Arne ist stur seinen Weg gegangen und hat mich dabei aus dem Gleichgewicht gebracht, den Zusammenhang habe ich mir nur eingebildet. Der Arne in mir hat dafür gesorgt, dass ich selbst nicht traurig sein darf. Er hat dafür gesorgt, dass ich meine Kinder angeherrscht habe, wenn sie am Weltschmerz litten. Dass ich in Angst verfalle, wenn ich schwermütigen Menschen begegne. Dass ich mich manchmal fühle wie ein Clown. Ich sagte:
    »Katja, verstehst du das?«
    Meine Frau ließ lächelnd meine Hand los, stand auf und strich wieder meine Decke glatt.
    »Lustig«, sagte sie, »bist du mir lieber.«
    Sie muss ganz leise weggegangen sein. Ich schlief ein, und als ich wieder zu mir kam, war sie fort, ihr Bettzeug fehlte, offenbar war sie ins Gästezimmer gezogen.
    Wieder klingelte das Telefon, ich hörte zu, als ginge es mich nichts an, bis es aufhörte.
    In der Nacht war Arne wieder da. Zwischen Traum und Erinnerung sah ich ihn noch einmal in dem Apartment im Olympischen Dorf: Wie er Anlauf nahm und mit dem Kopf gegen die Wand rannte. Wir hatten das so schnell abgehakt, doch heute wunderte ich mich darüber. Wieder sah ich uns am folgenden Morgen nebeneinandersitzen, schwer verkatert, beide mit großen Wasserflaschen in der Hand. Ich fragte ihn, was das eigentlich für ein bizarrer Auftritt gewesen sei. Wieso er mit dem Kopf gegen die Wand rennen müsse, am Abend, nachdem er Olympiasieger geworden sei.
    »Freust du dich denn gar nicht?«
    Er senkte den Kopf, starrte in die Öffnung seiner Wasserflasche und sagte:
    »Ich kann nichts fühlen.«
    Ich setzte mich auf, knipste die Nachttischlampe an und dachte, ich will das nicht mehr. Wieso tat er mir immer noch weh? In mir baute sich Widerstand auf. Die Antibiotika schienen endlich zu wirken, der Halsschmerz ließ nach, meine Gelenke lockerten sich.
    Auf der Digitaluhr war es fünf Uhr morgens, und ich hatte Durst. Mit neuer Kraft schwang ich meine Beine über den Bettrand, angelte nach meinen Filzhausschuhen und stand mit wackligen Knien auf. Gerade, als ich in den Frotteebademantel schlüpfte, klingelte wieder das Telefon, seltsam laut in der Stille des frühen Morgens. Ich schlurfte hinaus und versuchte, so schnell wie möglich die Treppe hinunterzugehen, war aber so schwach, dass ich mich am Geländer festhalten musste. Das Telefon verstummte kurz, dann fing es noch einmal zu klingeln an. Ich stützte mich an der Wand ab und nahm den Hörer.
    »Hallo?«
    Die Frauenstimme am anderen Ende klang aufgeregt.
    »Hier ist Frau Ringel«, rief sie heiser.
    »Frau Ringel?«
    »Die Nachbarin von Herrn Hansen.«
    Ich zog einen Stuhl heran und setzte mich.
    »Es ist fünf Uhr morgens.«
    »Ich weiß. Ich habe gestern den ganzen Tag lang versucht, Sie zu erreichen. Aber es hat niemand abgehoben.«
    »Tut mir leid. Ich

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